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Kritik an Bundesrats-Botschaft Müssen Bürger vor Strafverfolgern geschützt werden?

  • Der Bundesrat möchte die Strafprozessordnung komplett revidieren. Sein Ziel ist, die Position der Opfer von Straftaten zu stärken.
  • Das kommt bei den kantonalen Justizdirektoren gar nicht gut an. Sie sprechen von einer «fast schon tendenziösen» Vorlage, die die Möglichkeiten der Staatsanwaltschaften einschränke.
  • Auf diese Kritik ist der Bundesrat bis jetzt nicht eingegangen.

Geht es nach dem Willen des Bundesrats, soll sich bei der Verurteilung und Bestrafung von Straftätern einiges ändern. Letzte Woche gab er bekannt, dass er die Mindeststrafen für Gewalt- und Sexualdelikte erhöhen will. Er wurde dafür von Richtern kritisiert, die ihren Handlungsspielraum eingeschränkt sehen. Und auch bei der Revision des Strafprozessrechts hagelt es Kritik.

Der Bundesrat will unter anderem die Stellung der Opfer verbessern. Doch das passt der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen- und direktoren (KKJPD) nicht. Mit aussergewöhnlich deutlichen Worten lehnt sie die Pläne des Bundesrates ab, die dieser im Dezember vorgelegt hat.

Sie schreibt dazu:

Der Botschaftstext zeichnet teilweise ein merkwürdiges Zerrbild der Staatsanwaltschaft.
Autor: KKJPD Vernehmlassungsantwort

Kleine Korrekturen ja, Totalrevision nein

Unterschrieben ist das Dokument vom abtretenden Berner Regierungsrat Hans-Jürg Käser, bis vor wenigen Tagen noch Präsident der KKJPD. Es gebe durchaus vereinzelte Bestimmungen in der Strafprozessordnung aus dem Jahr 2011, die revidiert werden müssten.

Doch was der Bundesrat hier plane, gehe eindeutig zu weit, erklärt Käser gegenüber SRF: «Wenn wir störende Vorschriften in Einzelbereichen überarbeiten und rasch anpassen wollen, dann hilft die KKJPD mit, aber eine Totalrevision lehnt sie ab.»

Der Bundesrat schiesse weit übers Ziel hinaus, finden die kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren. Ihre Kritikpunkte füllen ganze acht A4-Seiten. So stören sich die Kantone zum Beispiel daran, dass der Bund die Stellung der Opfer in Strafverfahren verbessern möchte.

Nach geltendem Recht kann die Staatsanwaltschaft ein Strafverfahren in gewissen Fällen mit einem Strafbefehl erledigen, ohne dass es zu einem Prozess kommen muss. Diese Möglichkeit möchte der Bundesrat nun einschränken. Das mache Verfahren nur komplizierter, langsamer und teurer, schreibt die KKJPD.

Staatsanwaltschaft in falschem Licht

Dass der Bund die Kompetenzen der Staatsanwaltschaften auch noch in zahlreichen anderen Punkten beschneiden möchte, passt den Kantonen gar nicht.

Bürger werden als wehrlose Objekte dargestellt, welche einem übermächtigen Strafverfolgungsapparat gegenüberstehen.
Autor: KKJPD Vernehmlassungsantwort

Unmissverständlich halten sie in ihrer bisher unbeachteten Vernehmlassungsantwort fest: «Bürgerinnen und Bürger werden gleichsam als wehrlose Objekte dargestellt, welche einem übermächtigen Strafverfolgungsapparat gegenüberstehen, und vor der Staatsanwaltschaft geschützt werden müssen.» Und Käser ergänzt: «Wir müssen keine Angst haben, dass der Bürger den Staatsanwaltschaften machtlos gegenübersteht.»

Das möge in gewissen Ländern durchaus der Fall sein. «Aber in der Schweiz weise ich so eine Grundhaltung einfach weit von mir», sagt Käser.

Bundesrat wertet Vernehmlassung aus

Die Staatsanwaltschaften handelten letztlich alleine im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, hält die KKJPD in ihrer Stellungnahme fest: «Die KKJPD beurteilt deshalb die Botschaft in mancher Hinsicht als fast schon tendenziös.» Das sind happige Vorwürfe der Kantone an den Bundesrat.

Justizministerin Simonetta Sommaruga will sich zurzeit nicht dazu äussern. Man sei daran, die umfangreichen Vernehmlassungsantworten zur Revision der Strafprozessordnung auszuwerten und stehe im Kontakt mit den Kantonen.

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