In Europa gibt es immer mehr missbräuchliche Klagen, sogenannte Slapps. 2022 zählte die Koalition gegen Slapps in Europa 161 neu eingereichte Klagen, im Jahr davor waren noch 26 Fälle weniger gezählt worden. Seit 2010 seien insgesamt 820 Klagen registriert worden. Mit den missbräuchlichen Gerichtsklagen versuchen Unternehmen, Privatpersonen oder Behörden, unliebsame und kritische Recherchen zu verhindern.
Immer öfter werden in letzter Zeit auch Medienschaffende und Nichtregierungsorganisationen mit den teils massiven und einschüchternden Gerichtsklagen konfrontiert. Schweizer Medienorganisationen und Hilfswerke fordern nun, dass die Politik gegen solche Slapps vorgeht.
Zunehmend mit Klagedrohungen eingedeckt wird laut eigenen Angaben die Schweizer Organisation Public Eye. Sie deckte in der Vergangenheit mehrfach Missstände auf, was bei den betreffenden Konzernen nicht immer auf Gegenliebe stiess. So zeigten Recherchen etwa auf, dass ein Schweizer Unternehmen Pestizide, die möglicherweise krebserregend sind, nach Costa Rica lieferte oder Bauern in Indonesien wegen eines Kohleabbauprojekts eines Zuger Rohstoffkonzerns vertrieben werden.
Juristischer Mehraufwand durch Klagen
«Wir arbeiten natürlich schon so, dass wir überzeugt sind, dass das solide und faktenbasierte Recherchen sind», betont Christa Luginbühl von Public Eye. «Wir arbeiten in internationalen Netzwerken, haben auch direkte Informationen von Situationen vor Ort.» Ihre Berichte seien deshalb wasserdicht und gerichtsfest. Ein einziges Mal in den letzten Jahren wurde Public Eye von einem Gericht zurückgepfiffen und musste ein Foto vom Internet nehmen.
Wir sind nicht eingeschüchtert, aber wir sind sicher ausgebremst in unserer Arbeit.
Doch jüngst würden solche Klagedrohungen zunehmen, oftmals mit dem einzigen Zweck, sie einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, kritische Recherchen zu publizieren, bedauert Christa Luginbühl «Das beeinträchtigt uns schon in unserer alltäglichen Arbeit. Ich würde nicht sagen, dass wir eingeschüchtert sind, aber wir sind sicher ausgebremst in unserer Arbeit.»
Für Public Eye würden solche Klagen mehr zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten, etwa um sich juristisch abzusichern. Deshalb fordert die Organisation einen besseren Schutz vor solchen Einschüchterungsklagen. Dieser Forderung haben sich unter anderem auch Greenpeace, Helvetas, der Bruno Manser Fonds angeschlossen.
Aus Angst keine Berichterstattung mehr
Der Berufsverband der Journalistinnen und Journalisten Impressum ist ebenfalls beteiligt. Dessen Geschäftsführer Urs Thalmann befürchtet, «dass gewisse Berichterstattungen gar nicht mehr gemacht werden, weil man schlicht und einfach Angst hat vor ruinösen Gerichtsklagen».
Diese Themen seien aber für die Information der Gesellschaft sehr wichtig, so Thalmann. Wenn Medien und Nichtregierungsorganisationen nicht mehr frei berichten könnten, dann sei letztlich die Demokratie in Gefahr.