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Immer mehr missbräuchliche Klagen in Europa
Aus HeuteMorgen vom 14.09.2023. Bild: EPA/J. C. Cardenas (Symbolbild)
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Kritische Recherchen im Visier Missbräuchliche Klagen gegen Medien und NGO nehmen zu

Immer öfter werden ihnen europaweit einschüchternde Gerichtsklagen angedroht. Auch Schweizer Organisationen sind davon betroffen. Der Berufsverband der Journalistinnen und Journalisten sowie mehrere Hilfswerke fordern hierzulande nun, dass die Politik gegen solche Klagen vorgeht.

In Europa gibt es immer mehr missbräuchliche Klagen, sogenannte Slapps. 2022 zählte die Koalition gegen Slapps in Europa 161 neu eingereichte Klagen, im Jahr davor waren noch 26 Fälle weniger gezählt worden. Seit 2010 seien insgesamt 820 Klagen registriert worden. Mit den missbräuchlichen Gerichtsklagen versuchen Unternehmen, Privatpersonen oder Behörden, unliebsame und kritische Recherchen zu verhindern.

Immer öfter werden in letzter Zeit auch Medienschaffende und Nicht­regierungs­organisationen mit den teils massiven und einschüchternden Gerichtsklagen konfrontiert. Schweizer Medienorganisationen und Hilfswerke fordern nun, dass die Politik gegen solche Slapps vorgeht.

Diese Dimension haben missbräuchliche Klagen

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Auf europäischer Ebene nimmt die Zahl missbräuchlicher Klagen zu. Laut SRF-Medienredaktor Klaus Bonanomi richteten sich solche Klagen nicht nur gegen Nichtregierungsorganisationen und Medienunternehmen, sondern auch gegen «Einzelpersonen, die sich noch weniger gut wehren können als Organisationen», zum Beispiel freie Medienschaffende, Whistleblower oder Umweltaktivistinnen.

Bei den Klagen gehe es auch um viel Geld, sagt Bonanomi: «In Spanien fordert ein Energiekonzern 17 Millionen Euro Schadenersatz von einer Zeitung wegen eines umstrittenen Berichts.» In der Schweiz seien rund ein Dutzend solcher Klagen hängig.

Zunehmend mit Klagedrohungen eingedeckt wird laut eigenen Angaben die Schweizer Organisation Public Eye. Sie deckte in der Vergangenheit mehrfach Missstände auf, was bei den betreffenden Konzernen nicht immer auf Gegenliebe stiess. So zeigten Recherchen etwa auf, dass ein Schweizer Unternehmen Pestizide, die möglicherweise krebserregend sind, nach Costa Rica lieferte oder Bauern in Indonesien wegen eines Kohleabbauprojekts eines Zuger Rohstoffkonzerns vertrieben werden.

Juristischer Mehraufwand durch Klagen

«Wir arbeiten natürlich schon so, dass wir überzeugt sind, dass das solide und faktenbasierte Recherchen sind», betont Christa Luginbühl von Public Eye. «Wir arbeiten in internationalen Netzwerken, haben auch direkte Informationen von Situationen vor Ort.» Ihre Berichte seien deshalb wasserdicht und gerichtsfest. Ein einziges Mal in den letzten Jahren wurde Public Eye von einem Gericht zurückgepfiffen und musste ein Foto vom Internet nehmen.

Wir sind nicht eingeschüchtert, aber wir sind sicher ausgebremst in unserer Arbeit.
Autor: Christa Luginbühl Public Eye

Doch jüngst würden solche Klagedrohungen zunehmen, oftmals mit dem einzigen Zweck, sie einzuschüchtern und sie davon abzuhalten, kritische Recherchen zu publizieren, bedauert Christa Luginbühl «Das beeinträchtigt uns schon in unserer alltäglichen Arbeit. Ich würde nicht sagen, dass wir eingeschüchtert sind, aber wir sind sicher ausgebremst in unserer Arbeit.»

Ansätze, um missbräuchliche Klagen zu verhindern

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Einerseits ist es ihr gutes Recht, wenn Personen oder Unternehmen auf falsche Anschuldigungen gegen sie in der Öffentlichkeit mit einer Klage reagieren. Wie kann aber gegen den Missbrauch dieses Rechts vorgegangen werden? Ein Ansatz, der laut SRF-Medienredaktor Klaus Bonanomi derzeit auf EU-Ebene diskutiert wird, setzt beim Streitwert an, «also wenn ein offensichtlich viel zu hoher Streitwert angesetzt ist». Auch viel zu umfangreiche Klageschriften oder wenn grosse Teams von Anwälten gegen eine einzelne kleine NGO oder gegen eine einzelne Aktivistin vorgehen würden, seien Anzeichen für eine missbräuchliche Klage, so Bonanomi. «Anhand solcher Merkmale könnte man eben die Spreu vom Weizen trennen.»

In der Schweiz hat es das Parlament im Frühling abgelehnt, eine Regelung für solche Slapps zu suchen. «Aber wenn die EU zu einem Entscheid kommen würde, dann könnte auch in der Schweiz eine ähnliche Regelung wieder aufs Tapet kommen», sagt Bonanomi.

Für Public Eye würden solche Klagen mehr zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten, etwa um sich juristisch abzusichern. Deshalb fordert die Organisation einen besseren Schutz vor solchen Einschüchterungsklagen. Dieser Forderung haben sich unter anderem auch Greenpeace, Helvetas, der Bruno Manser Fonds angeschlossen.

Aus Angst keine Berichterstattung mehr

Der Berufsverband der Journalistinnen und Journalisten Impressum ist ebenfalls beteiligt. Dessen Geschäftsführer Urs Thalmann befürchtet, «dass gewisse Berichterstattungen gar nicht mehr gemacht werden, weil man schlicht und einfach Angst hat vor ruinösen Gerichtsklagen».

Diese Themen seien aber für die Information der Gesellschaft sehr wichtig, so Thalmann. Wenn Medien und Nicht­regierungs­organisationen nicht mehr frei berichten könnten, dann sei letztlich die Demokratie in Gefahr.

HeuteMorgen, 14.09.2023, 06:00 Uhr ; 

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