Die Jahre im Konzentrationslager (KZ) der Nazis waren die schlimmsten seines Lebens. Seinen Lebensmut verloren hat Shlomo Graber trotzdem nicht: Bücher schrieb der mittlerweile 96-Jährige einige, Gemälde malte er viele und Vorträge über die Zeit des Zweiten Weltkriegs hielt er auch. Und jetzt hat er auch noch eine Auszeichnung bekommen: ausgerechnet von der Stadt, wo er einst im KZ war – von Görlitz.
Die Stadt, die für Graber für «das Schrecklichste, was man einem Menschen antun kann» steht, macht ihn nun zu ihrem Ehrenbürger. Dies nicht zuletzt wegen Grabers Offenheit und seiner Art – aller schrecklichen Erlebnisse und dramatischen Verluste zum Trotz – nicht in Hass zu verfallen. Graber setzte auf die Liebe, nicht auf den Hass.
Ich habe das Schlimmste erlebte, aber ich will nicht hassen.
«Ich habe das Schlimmste erlebt, aber ich will nicht hassen», sagt Graber. «Ich habe lieber Freundschaften.»
Statt mit der Vergangenheit zu hadern, setzt der Kunstmaler seine Energie lieber dafür ein, Gemälde zu malen. Und Jugendliche über die Zeit im Dritten Reich aufzuklären. «Viele junge Menschen kennen die Geschichte nur aus Büchern und schätzen es sehr, wenn sie einen Zeitzeugen des 2. Weltkriegs wie mich vor sich haben.»
Aufklärung war denn auch der Grund, weshalb Shlomo Graber Jahrzehnte nachdem er fast die gesamte Familie im KZ Auschwitz verloren hatte, nach Görlitz zurückkehrte: zusammen mit Jugendlichen und Holocaust-Überlebenden wanderte er die Teilstrecke eines früheren Todesmarsches ab.
Dass Graber – trotz grässlicher Erinnerungen an den Ort – zurück nach Görlitz kam, schätzt man in der ostdeutschen Stadt so sehr, dass man ihn zum Ehrenbürger haben wollte. Bürgermeister Octavian Ursu reiste extra nach Basel, um Graber die Urkunde persönlich zu überreichen.
«Es war eine beeindruckende Begegnung», schrieb Octavian Ursu danach auf der Webseite seiner Stadt. Shlomo Graber habe in seiner Jugend mehr als sechs Dutzend Familienangehörige verloren, so Ursu weiter. «Es ist ihm gelungen, mit diesen Schrecken zu leben, sich für die Aufarbeitung der Zeit des Nationalsozialismus und Versöhnung einzusetzen und mit seinen Texten und seiner Kunst bleibendes für die Zukunft zu schaffen.»
Graber freut sich so sehr über die Ehrenbürgerschaft, dass er sie allen zeigen will: Statt sie in der Stube aufzuhängen, ziert sie nun ein Schaufenster der Galerie seiner Lebensgefährtin in Basel.