«Dieses Projekt hat mich zum Weinen gebracht», sagt eine Frau, die vor den Kreidetafeln steht. «Es zeigt, dass ältere, jüngere, alle Menschen voller Wünsche und Hoffnungen sind», fährt die 47-jährige Olivia fort. Sie habe sogar spontan eine Freundin angerufen und ihr per Videocall das Projekt gezeigt. Die Freundin kümmere sich um ihre krebskranke Schwester: «Es ist ein sehr kraftvolles Projekt.»
Hinter ihr steht in grossen Lettern «Before I die I want to ...» auf Wandtafeln, die an der Fassade des Basler Pflegehotels St. Johann angebracht sind. «Bevor ich sterbe, möchte ich ...», regt die Passantinnen und Passanten zum Nachdenken an – kaum jemand, der vor der Kunstinstallation nicht kurz innehält, hin und wieder notiert jemand auch einen persönlichen Wunsch.
Es zeigt, dass ältere, jüngere, alle Menschen voller Wünsche und Hoffnungen sind.
«Es wird einem wieder bewusst, dass alle Menschen Wünsche und Hoffnungen haben. Manchmal geht das im Alltag unter. Es ist herzerwärmend», sagt der 14-jährige Enzo.
Mit diesem Projekt will das Pflegeheim den Diskurs über Leben und Tod in die Öffentlichkeit tragen. «Das Leben endet. Das können wir nicht ausklammern. Darum wollen wir eine öffentliche Diskussion anregen», sagt André Gyr, Geschäftsführer des Pflegehotels St. Johann in Basel. Und die notierten Wünsche sind sehr vielfältig – im Kern geht es oft um Beziehungen.
Die Tafeln sorgen nicht nur bei den Menschen im Quartier für Aufmerksamkeit. Auch die rund 75 Pensionärinnen und Pensionäre des Pflegeheims beschäftigen die Kreidetafel an ihrem Zuhause. Vergänglichkeit und Tod beherrschten im Moment viele Gespräche in der Cafeteria, sagt Gyr.
Das Leben endet. Das können wir nicht ausklammern. Darum wollen wir eine Diskussion anregen.
Dass der Regen die notierten Wünsche regelmässig herunter wäscht, sei beabsichtigt, sagt Gyr: «Das symbolisiert auch, dass das Leben vergänglich ist.»
Anlass für das Kreidetafel-Kunstprojekt ist das sechzigjährige Bestehen des Pflegehotels St. Johann. Vieles habe sich in den letzten Jahrzehnten stark verändert, sagt Manuel Hammann. Er leitet die Pflegeabteilung der Basler Institution. Das Alter beim Eintritt sei in den letzten Jahren erheblich gestiegen: «Die meisten kommen erst sehr spät hierhin – und häufig erst nach einer schweren Diagnose.»
Kunst ist ein guter Weg, um miteinander in Kontakt zu treten, auch wenn ein Thema schwer ist.
Diese Entwicklung habe sich während der Corona-Pandemie weiter akzentuiert. Die Zeit der langen Wartelisten für einen Platz in einem Pflegeheim sei vorbei. Die Institution schrieb deshalb im letzten Jahr auch rote Zahlen, denn einige Betten blieben leer.
Umso wichtiger sei es deshalb, neue Wege zu beschreiten und Bevölkerung und Bewohnerinnen und Bewohner wieder näher zusammenzubringen. «Kunst ist ein guter Weg, um miteinander in Kontakt zu treten, auch wenn ein Thema schwer ist», sagt Geschäftsführer André Gyr. Die Kunstinstallation an der Hausfassade soll ein Jahr lang bleiben.