Ein Grossteil des Ammoniak-Ausstosses in der Schweiz stammt aus der Landwirtschaft. Um die Emissionen zu senken, dürfen Landwirte ab 1. Januar 2022 nur noch mit Schleppschläuchen güllen. Das ist in der Luftreinhalteverordnung neu so geregelt. Bei diesem System wird die Gülle mit Schläuchen direkt über dem Boden ausgebracht und nicht auf die Felder gespritzt wie bisher.
Das Obligatorium führt zu einer hohen Nachfrage nach Schleppschläuchen und den entsprechenden Güllefässern. Die Produzenten können sie nur mit Verspätung liefern.
Zulieferer als Nadelöhr
Der Grund liegt bei den Zulieferern, wie ein Beispiel aus dem Kanton Thurgau zeigt. Agrar Landtechnik in Balterswil hat die Produktion zwar erhöht: Anstatt 80 Güllefässer, wie üblich, werden derzeit 150 Fässer pro Jahr produziert. Mehr sei aber nicht mehr möglich.
Es haben auch andere Länder das Obligatorium eingeführt.
«Wir sind auf Zulieferer aus Europa angewiesen», sagt Karl Tanner, Verkaufsleiter bei Agrar Landtechnik. Da aber auch andere Länder das Obligatorium eingeführt haben, könnten die Zulieferer die Nachfrage nicht mehr decken. Die Lieferfrist bei Agrar Landtechnik ist deshalb von sechs Monaten auf über 1.5 Jahre gestiegen.
Bund denkt über Verschiebung nach
Es werden am 1. Januar 2022 also viele Bauern das Obligatorium nicht umsetzen können, selbst wenn sie die entsprechenden Investitionen machen wollen und die Geräte bestellt haben. Der Bund überlegt sich deshalb, das Obligatorium zu verschieben, wie das Bundesamt für Umwelt eine Meldung des «Schweizer Bauer» gegenüber SRF bestätigt:
«Aufgrund der Lieferschwierigkeiten bei Geräten für die emissionsarme Ausbringung von Gülle prüft der Bundesrat zurzeit eine Verschiebung des Inkrafttretens des Obligatoriums. Es können keine weiteren Angaben zum Inhalt und zum Tag der Entscheidung über eine allfällige Verschiebung gemacht werden.»
Kantone sind gefordert
Eine Verschiebung dürfte auch den Kantonen entgegenkommen. Sie sind für die Umsetzung des Obligatoriums und die Ausnahmeregelungen zuständig. Vom Obligatorium sind nämlich verschiedene Flächen ausgenommen. Beispielsweise wenn ein Hang steiler als 18 Prozent ist, oder wenn die Zufahrt mit den grösseren und schwereren Schleppschlauch-Geräten nicht möglich ist.
«Es gibt viele kleine Flächen, die teilweise steiler als 18 Prozent sind, teilweise aber flacher. Ob das Obligatorium dort gilt oder nicht, ist für den Landwirt schwer abzuschätzen», sagt Andreas Widmer, Geschäftsführer des St. Galler Bauernverbands. Man sei deshalb auf klare Aussagen des Kantons angewiesen.
Bauernverband fordert klare Aussage
Der Kanton St. Gallen lehnt ein Interview ab und schreibt, es liefen Gespräche und es sei zu früh, um konkrete Angaben zu machen.
Klar scheint: Eine Verschiebung des Obligatoriums würden Kantone sowie auch Landwirte begrüssen. Eine Entscheidung dürfte bald fallen. Ende Oktober findet ein runder Tisch mit den involvierten nationalen Vertretern statt.