Statt in die Gummistiefel schlüpft Mark Zahran in einen weissen Ganzkörper-Schutzanzug. Dies muss der junge Geschäftsführer der Firma Yasai, wenn er seine Pflanzen besuchen will. Denn die Pflanzen in der Vertical Farm im zürcherischen Niederhasli müssen geschützt werden vor Schädlingen und Krankheiten. Die Pflanzen werden nämlich nicht gespritzt und befinden sich in einem eigenen System, von der Aussenwelt ziemlich abgeschottet.
Die Vertical Farm steht in einer alten Industriehalle und besteht aus zwei Teilen. Der Farm, wo die Basilikumpflanzen wachsen. Wegen der vielen Lampen in diesem Teil der Farm ist es ziemlich warm. Ein Roboter soll dann automatisch die Pflanzen in den Nebenraum bringen, wo das Basilikum von Hand geschnitten und verpackt wird. Nach nicht ganz zwei Monaten sind die Pflanzen erntereif. Die Blätter der Basilikumpflanze kann man dreimal ernten
Anders als draussen in der freien Natur wird hier nichts dem Zufall überlassen. LED-Lampen ersetzen die Sonne und sollen das Pflanzenwachstum fördern. Statt aus dem Boden entnehmen die Pflanzen ihre Nahrung einer Nährstofflösung. Damit die Pflanzen dennoch Halt haben, werden sie in ein Substrat gesetzt: ein fester Bodenersatz, der Luft, Wasser und Sonne durchlässt und der Pflanze ermöglicht, Wurzeln zu schlagen und zu wachsen.
Die Wahl des Substrates ist für das Pflanzenwachstum entscheidend. An der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW) erforscht Zala Schmautz die verschiedenen Substrate. Wichtig sei dabei, dass das Substrat nachhaltig ist.
«Bisher wird häufig Steinwolle verwendet, aber wir müssen ein Substrat finden, das recycelt werden kann», beschreibt Zala Schmautz ihre Aufgabe. In einer ersten Phase werden vier verschiedene Substrate miteinander verglichen.
Für die Forscherin der ZHAW ist klar, Vertical Farming werde die heutige Landwirtschaft nicht ersetzen, aber es brauche eine Ergänzung zur traditionellen Landwirtschaft. «Wir müssen andere Wege finden, um Lebensmittel zu produzieren. Vielleicht können wir künftig nicht mehr alle Lebensmittel auf traditionelle Weise herstellen.» Pflanzen im Vertical Farming brauchen weniger Platz und sind Naturereignissen wie Trockenheit, Überschwemmungen oder Dürren nicht ausgesetzt.
Nicht nur die ZHAW forscht an Vertical Farming, sondern auch Agroscope, das landwirtschaftliche Kompetenzzentrum des Bundes. Im Wallis wird untersucht, welche Pflanzen geeignet sind für Vertical Farming. Derzeit werden verschiedene Basilikumsorten miteinander verglichen, da Yasai in Zürich derzeit Basilikum anbaut.
Der zuständige Forschungsbereichsleiter von Agroscope Christoph Carlen erklärt: «Man kann nicht davon ausgehen, dass das Basilikum, welches unter natürlichen Bedingungen auf dem Balkon auch in der Vertical Farm am besten wächst.»
Wichtig sind beispielsweise das Aussehen, die Haltbarkeit und der Geschmack des Basilikums. Aber auch die wirtschaftliche Rentabilität ist ein wichtiger Punkt. Im Prinzip könne man jede Pflanze im Vertical Farming anbauen, so Carlen. «Aus wirtschaftlicher Sicht machen aber nur Frischpflanzen Sinn. Produkte, welche lange haltbar sind, wie Getreide oder Kartoffeln, sind nicht sinnvoll», erklärt Carlen.
Yasai ist nicht das erste Unternehmen, das versucht, mit Vertical Farming in der Schweiz Geld zu verdienen. Die Anfänge liegen über 50 Jahre zurück. Im aargauischen Rüfenach bei Brugg baute eine Gärtnerei seine Geranien in einem Turmgewächshaus an. Bei diesem zirkulierten die verschiedenen Töpfe vertikal durch das Gewächshaus, damit die Pflanzen gleichmässig viel Sonnenlicht erhielten und weniger Platz brauchten. Die Lüftung und Bewässerung waren bereits automatisch.
Der Turm von Rüfenach steht schon lange nicht mehr. Und vor einem Jahr scheiterte auch ein Projekt der Migros in Kooperation mit der Firma Growcer, welche in Basel Salate im Vertical Farming anbaute. Yasai versucht, mit Kräutern die Vertical Farming Idee umzusetzen, unter anderem auch weil da die Margen grösser sind.
Ein wichtiger Punkt beim Vertical Farming sei die Skalierbarkeit, meint Mitgründer und Geschäftsführer von Yasai, Mark Zahran: Die sechsstöckige Pilotfarm in Niederhasli sei die geringstmögliche, die sich wirtschaftlich zu betreiben lohne, aber da sie aus verschiedenen Modulen bestehe, sei sie sehr einfach vergrösserbar und könne in der gleichen Art und Weise überall in verschiedenen Grössen errichtet werden.
Wegen Lieferschwierigkeiten war der Start von Yasai bisher eher verhalten. Weil der Lift noch fehlte, konnte zu Beginn praktisch nur der erste Stock bepflanzt werden. Tausend bis zweitausend Päckchen Basilikum verkauft das Unternehmen bisher pro Woche unter anderem auch an den grossen Detailhändler Coop.
Trotz Skalierbarkeit, wirtschaftlichen Berechnungen und viel Forschung rund um die Optimierung von Vertical Farming – am Ende entscheidet vor allem der Kunde oder die Kundin im Laden, ob das vertikale oder das horizontale Basilikum nun besser schmeckt.