Soll man unverheiratet Kinder haben? Soll man Vollzeit arbeiten, wenn zu Hause Kleinkinder warten? Soll man sich scheiden, obwohl man kleine Kinder hat? Die Meinung von Herr und Frau Schweizer zu diesen doch sehr zentralen Lebensfragen hat sich verändert. Das zeigt ein Blick in die kürzlich erschienenen Umfragedaten des European Social Survey. Erstmals ist auch ein Vergleich zwischen 2006 und 2018 möglich.
Scheidung mit Kindern unter 12 Jahren ist kein Problem mehr. Die Entscheidung von Ehepaaren, sich scheiden zu lassen – trotz Kindern unter 12 Jahren – wurde 2006 im Schnitt noch eher abgelehnt, und zwar von rund einem Drittel der Schweizerinnen und Schweizer. 12 Jahre später, im Jahr 2018, ist die Befürwortung dafür stark gestiegen.
Heiraten wird optional: Über die Hälfte der Schweizerinnen und Schweizer war 2018 der Meinung, dass eine Hochzeit nicht unbedingt nötig sei, wenn man zusammenziehen will. Dies war 2006 noch anders – weniger als zwei von fünf Befragten befürworteten es. Der Rest war hauptsächlich unentschlossen.
Ein ähnlicher Trend ist auch bei der Befürwortung von Paaren, welche unverheiratet Kinder bekommen, auszumachen. Dort war die Ablehnung vor 12 Jahren mit knapp 20 Prozent noch deutlich grösser.
Das «DINK»-Modell wird populärer. Obwohl bereits im Jahr 2006 mehr Schweizerinnen und Schweizer die Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, eher befürworteten als ablehnten, hat sich diese Tendenz im Jahr 2018 nochmals verstärkt. Sogenannte «DINK»-Modelle («dual income, no kids»), bei denen beide Personen in der Beziehung berufstätig sind und keine Kinder wollen, sind offensichtlich akzeptierter geworden.
Vollzeitarbeit mit Kindern unter drei Jahren ist eine Frage des Betreuungsmodells. Eine Vollzeitstelle und gleichzeitig Kinder unter drei Jahren? Die Befürwortung dazu hat seit 2006 ebenfalls zugenommen. Aber: Die Antworten sind nicht gleich, wenn die Frage betreffend Männer oder Frauen gestellt wird. Insbesondere bei Müttern von Kleinkindern war es 2006 noch verpönt, wenn sie eine Vollzeitstelle hatten.
Knapp 60 Prozent der Befragten lehnten damals dieses Modell ab, nur 10 Prozent befürworteten es. 2018 war es hingegen bereits breiter akzeptiert, wenn Mütter von kleinen Kindern Vollzeit arbeiteten. Das Umgekehrte bei Männern: Mehr Schweizerinnen und Schweizer lehnten es 2018 ab, wenn ein Vater von kleinen Kindern Vollzeit arbeitete.
Aufschieben statt überstürzen: Wichtige Etappen bei der Lebensplanung werden auf später verschoben – im Schnitt um ein bis zwei Jahre. 2006 noch fand die Schweizer Bevölkerung zum Beispiel, mit 23 Jahren sei es Zeit, mit dem Partner zusammenzuziehen. 2018 galt ein Alter von rund 24 Jahren als ideal für die erste gemeinsame Wohnung.
Auch heiraten soll man idealerweise später – neu mit knapp 28 Jahren. 2006 lag das «ideale Alter» noch bei 26.5 Jahren. Deutlich verändert hat sich zudem der Zeitpunkt, um erstmals Eltern zu werden. In 12 Jahren ist er von 27.5 auf 29 Jahre gestiegen. Dafür wollten sich Schweizerinnen und Schweizer 2018 auch erst mit 62 Jahren pensionieren lassen – rund zwei Jahre später als bei der Befragung von 2006.
Sendebezug: Radio SRF1, 6.12.2019, ab 6 Uhr