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Latein – quo vadis? Latein in der Krise: Das Fach verliert an Beliebtheit

Die «Königsdisziplin» der gymnasialen Bildung gerät immer mehr unter Druck. Eine neue Reform verstärkt den Trend.

«Veni, vidi, vici» – mit diesen berühmten Worten soll Julius Caesar seinen schnellen Sieg in einer entscheidenden Schlacht im Jahr 47 vor Christus verkündet haben. Doch an Schweizer Mittelschulen scheint der Lateinunterricht auf der Verliererseite zu stehen. Immer weniger Jugendliche entscheiden sich für das Fach.

Schülerinnen stehen vor einer Wandtafel
Legende: Immer weniger Schülerinnen und Schüler sehen einen Sinn darin, Latein zu pauken. Keystone/Christian Beutler

Die Entwicklung ist deutlich: 144 Schülerinnen und Schüler haben sich im Schuljahr 2023/24 im Kanton Zürich für Latein als Schwerpunkt entschieden. Das sind weniger als vier Prozent der infrage kommenden Gymnasiasten, wie die neusten Zahlen des Zürcher Mittelschul- und Berufsbildungsamtes zeigen. Im Schuljahr 2020/21 waren es noch 220 Schülerinnen und Schüler. Das heisst, in den letzten fünf Jahren ging die Zahl der an Latein Interessierten nochmals um ein Drittel zurück.

An der Kantonsschule Uster gab es sogar nur eine einzige Anmeldung. Das Schwerpunktfach kann deshalb im nächsten Schuljahr nicht stattfinden. «Das tut mir furchtbar leid», sagt Rektor Patrick Ehrismann. Er hofft, dass dies eine Ausnahme ist. Dennoch: Der Zeitgeist tendiere eher zu naturwissenschaftlichen Fächern, die «Königsdisziplin» Latein sei weniger gefragt.

In anderen angefragten Kantonen zeigt sich ein ähnliches Bild. Im Kanton Bern besuchen noch circa ein Prozent der Schülerinnen und Schüler den Lateinunterricht. «Die Zahlen stagnieren auf tiefem Niveau», schreibt dazu die kantonale Bildungs- und Kulturdirektion. Ganz ähnlich tönt es aus Basel und Baselland. Und auch das Bildungs- und Kulturdepartement in Luzern meldet «tiefe, aber stabile Zahlen».

Konkurrenz durch andere Fächer

Manche Gymnasien bieten eine breite Palette an Schwerpunktfächern an. Die Konkurrenz zum Latein ist entsprechend gross. Beliebt sind nebst Naturwissenschaften auch neue Fächer wie PPP: Philosophie, Pädagogik und Psychologie. Ein Profil, welches der Kanton Zürich neu eingeführt hat.

Wie sehr dies die Wahl beeinflussen kann, zeigt das Gegenbeispiel Schaffhausen: Am dortigen Gymnasium können die Schülerinnen und Schüler zurzeit nur zwischen Mathematik, Latein und einem musischen Profil wählen. Dementsprechend besser sind die Lateinklassen in Schaffhausen gefüllt.

Ein weiterer Punkt: Für viele Studiengänge sind Lateinkenntnisse nicht mehr zwingend.

Für welches Studium braucht es noch Latein?

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Diese Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten, denn die Universitäten stellen unterschiedliche Bedingungen. So ist es zum Beispiel möglich, dass die Universität Zürich für ein bestimmtes Fach Lateinkenntnisse voraussetzt, die Uni Bern hingegen nicht.

Generell werden Lateinkenntnisse für Fächer verlangt wie:

  • diverse Sprach- und Literaturwissenschaften
  • Geschichte
  • Altertum und Mittelalter
  • Musik
  • Religion

Für manche dieser Fächer ist zusätzlich Griechisch Pflicht. Eine detaillierte Aufstellung findet sich unter berufsberatung.ch.

Der Bundesrat hat 2019 eine Reform der gymnasialen Bildung angestossen. Neu soll es mindestens vier Schuljahre dauern, bis die Matura abgelegt werden kann. In manchen Westschweizer Kantonen wurden dreijährige Maturitäts­lehr­gänge angeboten.

Neu sollen zudem die Unterrichtssprache und auch das Fach Mathematik gestärkt werden. Wirtschaft, Recht und Informatik gehören neu zu den Grundlagenfächern, und es gibt mehr Auswahl bei den Schwerpunktfächern. Die neuen Regeln gelten seit dem Schuljahr 2023/24. Die Kantone haben aber bis 2029/30 Zeit, um die neuen Vorgaben umzusetzen.

Fach Latein verliert zwar, bleibt aber bestehen

Bildungsexperten gehen davon aus, dass Latein zu den Verlierern dieser Reform gehören wird. Ein Trost für alle, die Latein als «Königsdisziplin» in der Bildung hochhalten: Keiner der angefragten Mittelschulen oder Bildungsdirektionen zieht es in Erwägung, das Fach Latein nicht mehr anzubieten. Ob es weiterhin überall noch ein Schwerpunktfach sein wird, bleibt jedoch offen.

Regionaljournal Zürich Schaffhausen, 21.2.2025, 6:31 Uhr ; 

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