Im Frühling dürfte die SVP erneut eine Zuwanderungsinitiative einreichen. Sie soll verhindern, dass in der Schweiz mehr als zehn Millionen Menschen leben dürfen. Diese Schwelle soll bis ins Jahr 2050 nicht überschritten werden. Zu diesem Zweck müsste die Schweiz eine Art Zuwanderungsbremse einrichten.
Marcel Dettling ist bald neuer Präsident der SVP. Bereits jetzt sei die Situation in der Schweiz prekär, sagt er und nennt ein paar Stichworte: Wohnungsnot, überfüllte Züge und Verkehrsstaus.
Zweifel an Zunahme auf zehn Millionen
Etwa im Jahr 2040 soll die Grenze von zehn Millionen Einwohnern in der Schweiz erreicht sein. Das hat das Bundesamt für Statistik berechnet. Die Denkfabrik Avenir Suisse bezweifelt, dass dieses Szenario tatsächlich eintrifft.
Wenn doch, könne die Schweiz dankbar sein, wenn sie aufgrund der Zuwanderung einst zehn Millionen Einwohner und Einwohnerinnen hätte, sagt Ökonom Lukas Rühli. Das wäre ein Zeichen für die wirtschaftliche Attraktivität der Schweiz.
Das Bevölkerungswachstum nimmt ab
Die Schweiz werde sich in mittlerer Zukunft wohl eher über zu geringes als über zu hohes Bevölkerungswachstum Sorgen machen müssen, ist Lukas Rühli überzeugt. Denn bei einer Geburtenrate von 1.5 Kinder pro Frau dürfte die Einwohnerzahl sehr schnell schrumpfen, wenn die Schweiz keine Zuwanderung hätte. In vielen anderen westlichen Ländern gehe die Einwohnerzahl schon heute zurück.
Der Grund sei der Rückgang bei der arbeitsfähigen Bevölkerung. Unter anderem gehen die Menschen der geburtenstarken Jahrgänge in Pension. Dies habe Auswirkungen auf den Wohlstand der Schweiz. Um ihn aufrechterhalten zu können, brauche es eine anhaltende und deutliche Immigration.
Für Lukas Rühli ist klar: Ohne Zuwanderung gäbe es vielleicht mehr Platz im Zug und auf den Strassen, dafür hingegen viel weniger Wohlstand.
Sogar 16 Millionen unterbringen
Für den Fall, dass die Schweiz doch irgendwann zehn Millionen oder mehr Einwohner zählt, hat die Architektin und Raumplanungsforscherin Sibylle Wälty ein Konzept entwickelt. Es heisst die «10-Minuten-Nachbarschaft» und geht so: An Zentrumslagen sollen mehr Menschen leben. Das soll gleichzeitig Verkehrsprobleme reduzieren und die Zersiedelung eindämmen.
In einem Radius von 500 Metern würden 15’000 Menschen leben und arbeiten. Alles wäre in zehn Minuten zu Fuss erreichbar. Dabei brauche es nicht zwingend Hochhäuser, lediglich ein paar Stockwerke mehr genügten, sagt die ETH-Forscherin Wälty.
In Genf lebten und arbeiteten sogar 30’000 Menschen innerhalb der 500 Meter. Mit dem Konzept der «10-Minuten-Nachbarschaft» könne die Schweiz in ferner Zukunft sogar bis zu 16 Millionen Einwohner unterbringen. Dies nicht etwa in engen Verhältnissen, so Wälty, sondern qualitätsvoll und im bestehenden Siedlungsraum.