- Wer eine Lehre macht, kommt mit dem Fach ABU in Kontakt: allgemeinbildender Unterricht.
- Zuständig für die Regeln rund um dieses Fach ist der Bund. Er verantwortet die Rahmengesetzgebung. Entsprechend wird im Bundeshaus auch über die Regeln für die Lehrabschlussprüfungen im allgemeinbildenden Unterricht entschieden.
- Geplante Anpassungen sorgen jetzt für hitzige Diskussionen.
Auszubildende lernen im allgemeinbildenden Unterricht etwa Deutsch, Politik oder Grundlagen der Wirtschaft. Nebst einer vertiefenden Arbeit gab es bisher eine schriftliche Abschlussprüfung. Neu soll die Arbeit jedoch mehr gewichtet und anschliessend mündlich geprüft werden. Schriftliche Prüfungen soll es nur noch während des Schuljahres geben.
Das Hauptproblem der Reform ist, dass man die technologische Entwicklung ausser Acht gelassen hat.
Sehr zum Ärger von Konrad Kuoni, der seit Jahren ABU unterrichtet. Kuoni ist Präsident des Zürcher Verbands der Lehrkräfte in der Berufsbildung. Künstliche Intelligenz werde auch im Klassenzimmer immer wichtiger. Die Reform sei 2021 aufgegleist worden, doch Ende 2022 sei ChatGPT dazugekommen: «Die technologische Entwicklung ist vollkommen ausser Acht gelassen worden.»
Da sei es falsch, der selbstständigen Arbeit mehr Gewicht zu geben, betont Kuoni, der nach eigenen Angaben mit immer mehr KI-verfassten Arbeiten konfrontiert ist. «Bei der Anzahl ChatGPT-Arbeiten ist so etwas einfach vollkommen absurd.» Ohne schriftliche Abschlussprüfung befürchtet er eine Schwächung des allgemeinbildenden Unterrichts.
Man stärkt so die Allgemeinbildung, indem die Kompetenzorientierung erhöht wird.
Mitgeprägt hat die Anpassung Corinne Hadorn, Studiengangsleiterin ABU an der Eidgenössischen Hochschule für Berufsbildung EHB. Davon, dass man die Allgemeinbildung abschwäche, sei keine Rede. Im Gegenteil: «Man stärkt so die Allgemeinbildung, indem die Kompetenzorientierung erhöht wird», sagt Hadorn.
Gerade weil Wissen abfragen in Zeiten Künstlicher Intelligenz weniger relevant werde, sei es wichtig, die selbstständige Arbeit zu stärken. Entscheidend ist laut Hadorn, dass man nicht mehr Wissen abfrage, sondern Kompetenzen prüfe.
Bewegung oder Stillstand?
«Viele Lehrpersonen werden sich auch ein bisschen bewegen müssen«, sagt Corinne Hadorn. Sie sei selbst lange Lehrperson gewesen und wisse, wie das sei: Zuerst habe man vielleicht nicht so Freude und die Umstellung bedeute Arbeit.
Konrad Kuoni hingegen sagt, er wehre sich nicht grundsätzlich gegen Neuerungen. Doch: «Bewegung macht dann Sinn, wenn sie nötig ist. Aber in diesem Fall ist es eine Bewegung in die falsche Richtung, und dann bleibt man besser stehen, als dass man einen Schritt auf den Abgrund zu macht.»
Geteilte Meinungen in der Politik
Die ABU-Schlussprüfungen sind nicht mehr nur für die Auszubildenden ein grosses Thema. Die FDP hat angekündigt, die schriftlichen Abschlussprüfungen notfalls auch im Parlament zu verteidigen. Eine schriftliche Abschlussprüfung sei wichtig, betont FDP-Nationalrätin Regine Sauter: «Dieses Leistungsprinzip ist auch im späteren Leben von Bedeutung. Junge Menschen sollen es bereits während der Ausbildung lernen.»
Für das neue Prüfkonzept ohne schriftliche Schlussprüfung spricht sich dagegen die grüne Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber aus. Abgeschafft werde hier nichts, sondern umgebaut: «Gerade in Zeiten von KI ist das neue Konzept eher eine Aufwertung.»
Nach der nationalrätlichen Bildungskommission wird sich demnächst auch die ständerätliche Bildungskommission über die Schlussprüfungen beugen. Rauchende Köpfe sind vorprogrammiert.