In Gondo trafen vor 20 Jahren zwei Ereignisse zusammen, ein Hochwasser und eine Rutschung. Tod und Zerstörung brachte der Murgang, der um 10.30 Uhr durchs Dorf fuhr und nicht erwartet worden war.
Rutschungen sind eine von vielen Naturgefahren. Am häufigsten kommt es in der Schweiz zu Überschwemmungen und Murgängen. 4 von 5 Gemeinden waren in den vergangenen 45 Jahren davon betroffen. Der Schutz der Bevölkerung vor Naturereignissen, das ist die Aufgabe von Josef Eberli. Er leitet im Bundesamt für Umwelt die Abteilung Gefahrenprävention.
Für ihn war Gondo insbesondere wegen der vielen Todesopfer ein sehr einschneidendes Ereignis. Allerdings: «Für die Gefahrenprävention in der Schweiz war das Jahr 1987 entscheidend. Damals hatten wir nach Jahrzehnten ohne grosse Ereignisse ein Ereignis, das über eine Milliarde Franken Schaden brachte.»
Enorme Zerstörung in Uri
Das Unwetter, das im August 1987 über die Schweiz hereinbrach, hat in vielen Regionen zu Überschwemmungen und Murgängen geführt. Stark betroffen waren das Puschlav, das Tessin und das Goms. Am heftigsten traf es aber den Kanton Uri. Die Zerstörung war enorm.
Strassen und das Bahn-Trassee der Gotthard-Linie wurden weggerissen, eine Autobahnbrücke bei Wassen sank ein, weil die Reuss einen Pfeiler unterspült hatte. Ursache für die Schäden war die Hochwasser führende Reuss. Die Dämme des Flusses brachen, und das Wasser floss in die ehemals natürlichen Überschwemmungsgebiete des Flusses.
«Man hat erkannt, dass dieses Überschwemmungsgebiet stark überbaut war und dass deshalb diese grossen Schäden entstanden sind», so Eberli. Diese Erkenntnis führte zum Umdenken. Man müsse darauf achten, dass Gefahrengebiete nicht immer intensiver genutzt werden, denn so steige das Schadenpotenzial immer mehr an.
Das Risiko miteinbeziehen
Das neue Zauberwort heisst «integriertes Risikomanagement». Dabei arbeiten die unterschiedlichsten Bereiche Hand in Hand. Von der Raumplanung bis zum lokalen Krisenstab, der im Ereignisfall zum Einsatz kommt. Simpel umschrieben will die Methode nicht nur schützen, sondern mögliche Schäden vorausschauend vermeiden.
Deshalb werden seit 1987 Gefahrenkarten mit dem Ziel erstellt, gefährdete Gebiete gar nicht erst zu überbauen, sondern besonders zu schützen oder im Extremfall zu räumen.
Im Kanton Uri wurde nach 1987 viel Geld in diesen neuen Hochwasserschutz investiert. Man verstärkte die Dämme der Reuss und schaffte Abflusskorridore für ein allfälliges Hochwasser. Zusätzlich nutzt man die Autobahn stellenweise als Überlaufbecken.
Hochwasserschutz besteht Praxistest
Ihre Feuertaufe bestanden diese Massnahmen Anfangs Monat. Am Wochenende vom 3. und 4. Oktober führte die Reuss nach Starkregen erstmals ähnlich viel Wasser wie 1987. Doch passiert sei nicht viel, sagt Eberli.
«Vor 14 Tagen hatten wir bei der Urner Reuss nur die Autobahn 19 Stunden gesperrt. 1987 hatten wir 500 Millionen Franken Schaden in Uri und die Autobahn war einen Monat gesperrt, weil sie zerstört war.»
Abgeschlossen ist die Arbeit aber noch nicht. Eine Aufgabe von Eberli und seinen Mitarbeitern ist, es Möglichkeiten zu finden, um Naturereignisse noch besser vorhersagen zu können. Schwierig zu prognostizieren sind etwa Rutschungen wie die, die vor 20 Jahren Gondo verwüstet haben. Erst in diesem Jahr wurde damit begonnen, ein Warnsystem für Rutschungen aufzubauen.