Junge Lehrerinnen und Lehrer brechen die Ausbildung ab oder geben den Beruf bald wieder auf; Erfahrene werden krank oder lassen sich frühpensionieren. Die Malaise spricht sich herum, und Lehrpersonen fehlen heute schweizweit.
Im Kanton Baselland stellt der Berufsverband jetzt konkrete Forderungen an die Politik: Die Lehrpersonen seien zu entlasten von erdrückender administrativer Arbeit, die Rolle von Klassenlehrpersonen brauche angemessen Zeit, und für sehr verhaltensauffällige Kinder seien mehr separate Betreuungsplätze zu schaffen. Auch müssten Primarstufen-Löhne steigen und die Ausbildung praxisnäher werden. Diese Wunschliste hat die Gewerkschaft Lehrerinnen- und Lehrerverein Baselland (LVB) am Dienstag den Medien präsentiert.
Bürokratie abbauen
Ihre Forderungen hat die Gewerkschaft aus einer grossen Mitgliederbefragung abgeleitet. Weit über 90 Prozent beklagen dabei insbesondere, wegen administrativer und weiterer Zusatzaufgaben fehle ihnen Zeit für den eigentlichen Unterricht. Dieser müsste Priorität haben, samt Vor- und Nachbearbeitung. Stattdessen verliere man sich in unzähligen Sitzungen mit schulinternen Gremien.
Als Beispiel für unnötigen bürokratischen Mehrfachaufwand nennt LVB-Präsident Philipp Loretz ein gemeinsames Projekt von vier Kantonen, das dennoch alleine im Baselbiet von 17 Sekundarschulen jeweils selber erarbeitet werde: «Jede Schule erfindet das Rad neu.»
Jede Schule erfindet das Rad neu.
Speziell überlastet seien viele Klassenlehrpersonen, weil sie neben dem Unterricht diverse andere Aufgaben hätten. «Klassenlehrperson zu sein bedeutet, dass man Dreh- und Angelpunkt ist von allem, was irgendwie mit dem Schulalltag der Kinder zu tun hat», erklärt die Primarlehrerin und LVB-Vizepräsidentin Maddalena Pezzulla. Diese Beziehung zu den Kindern sei sehr schön, doch bei zu vielen Aufgaben könne es einen zerreissen. Dies passiere vielen frisch ausgebildeten Lehrkräften.
Zudem litten rund die Hälfte der Primar-Lehrpersonen unter Druck von Eltern: Respektloses Verhalten, forderndes bis drohendes Auftreten vor Übertritts-Entscheiden und viel zu häufige Kontaktaufnahme werden genannt.
Als Klassenlehrperson ist man Dreh- und Angelpunkt von allem, was irgendwie mit dem Schulalltag der Kinder zu tun hat.
Auf der Primarstufe ortet der LVB das grösste Problem, auch weil die Anstellungsbedingungen nicht konkurrenzfähig seien. Hier lägen Baselbieter Löhne klar unter jenen der Nachbarn Basel-Stadt, Aargau und Solothurn, und oft würden Zusatzqualifikationen und Extra-Arbeit nicht abgegolten. Teils seien Räume zu klein, das WLAN zu schwach oder gar Wasserleitungen rostig.
Als zu praxisfern kritisiert wird die Ausbildung an der Pädagogischen Hochschule; manchen Dozierenden fehle Unterrichtserfahrung. Zudem sollte die Ausbildung für die Sekundarstufe 1 modular sein und Lehrkräfte besser auf die unterschiedlichen Leistungszüge vorbereiten.
Einige Einschätzungen und Wünsche des Baselbieter LVB teilt der Dachverband Lehrerinnen und Lehrer Schweiz (LCH) aus eigenen Erhebungen der letzten Jahre. Er ist aber nicht mit allem einverstanden. So regt der LVB Übertritts-Prüfungen von der Primar- in die Sek-Stufe an, um Lehrkräfte von Beurteilungen zu entlasten. Der LCV warnt mit Verweis auf solche Prüfungen vor dem Gymnasium im Kanton Zürich. Das bringe Kindern Stress und verzerre Chancen: Private Förderkurse könnten sich nicht alle leisten. Die ganzheitliche Beurteilung durch die Lehrperson sei besser, weil diese die Kinder lange kenne.