Wer auf Facebook etwas als «gefällt mir» markiert oder «teilt», kann zum Fall für die Gerichte werden, wenn der Inhalt des Artikels ehrverletzend ist. Denn grundsätzlich gilt: Wegen übler Nachrede kann man nicht nur den Urheber eines ehrverletzenden Beitrages zur Rechenschaft ziehen, sondern auch Facebook-Nutzer, die einen solchen Beitrag weiterverbreitet haben.
Was ist das Medienprivileg?
Jetzt hat das Bundesgericht ein weiteres Leiturteil gefällt, was das Teilen von ehrverletzenden Beiträgen auf Facebook angeht. Das höchste Gericht beurteilt dabei Facebook erstmals als «Medium». Das bringt Änderungen für Nutzerinnen und Nutzer in Bezug auf das sogenannte Medienprivileg.
In den traditionellen Medien wie Zeitungen galt bisher das Medienprivileg. Das bedeutet etwa bei einer Zeitung, dass nur der Urheber einer strafbaren Äusserung bestraft werden darf, also der Autor. Nicht bestraft werden hingegen der Kioskverkäufer oder der Zeitungsverträger, welcher die Zeitung unter die Leute gebracht hat.
In der realen Welt sind diese Regeln klar. Was aber geschieht im Internet, wenn auf Plattformen wie Facebook ein Beitrag geteilt oder geliked und weiterverbreitet wird?
Der Fall
Diese Frage war bis zum heutigen Bundesgerichtsurteil ungeklärt. Nun stellte sie sich vor dem höchsten Gericht in einem Verfahren um Äusserungen gegenüber einem bekannten Schweizer Tierschützer. Eine Drittperson hatte auf Facebook den Artikel einer Internetplattform geteilt, die massive Vorwürfe gegenüber dem Tierschützer erhob.
Bin ich Teil der Verbreitungskette?
In einem solchen Fall könne das Medienprivileg nicht angewandt werden, befand das Bundesgericht. Denn der Facebook-Nutzer, der den Beitrag über den Tierschützer teilte, war nicht mehr Teil einer Verbreitungskette.
Anwalt Martin Steiger erklärt: «In diesem Fall hat das Bundesgericht gesagt, das Teilen und Verlinken war nicht mehr Teil der medientypischen Verbreitungskette. Da wurde bloss ein Online-Artikel genommen, geteilt und kommentiert.
Wann ist nur der Facebook-Autor strafbar?
Weil mit diesem Leiturteil Facebook aber im vorliegenden Fall als Medium bezeichnet wird, ist es neu auch im Internet möglich, das Medienprivileg anzuwenden. Das war bislang umstritten in der Rechtsprechung.
Aber wann wäre wirklich nur der Urheber eines Inhalts strafbar? «Wenn die Verbreitungskette nur in einem Medium bleiben würde, wenn also ein ursprünglich auf Facebook veröffentlichter Inhalt geteilt würde», sagt Martin Steiger. «Dann könnte man allenfalls sagen, der Nutzer, welcher den ursprünglichen Beitrag auf Facebook veröffentlicht hat, kann bestraft werden. Nicht aber die anderen Nutzer, die diesen Beitrag teilen.»
Ein Freipass für facebook-interne Aktivitäten?
Das Urteil könnte also zur Folge haben, dass sich die Verteidigung in umstrittenen Fällen neu auf dieses Medienprivileg berufen könnte.
Das bedeute aber nicht, dass man nun einfach jeglichen Inhalt auf sozialen Medien weiterverbreiten könne, sagt Steiger: «Auf Facebook und auch sonst auf Social Media ist es weiterhin ratsam, vorsichtig zu sein. Man sollte das Urteil nicht als Freipass verstehen, beliebige fremde Inhalte teilen zu können. Gerade, wenn man das Gefühl hat, das könnte heikel oder ehrverletzend sein.
Denn weiterhin müssen Gerichte jeden Einzelfall prüfen und ein langwieriges Rechtsverfahren kann teuer werden.