Spannen SP, Mitte und FDP zusammen, nennt sich dies in der Schweiz, je nach Blickwinkel, «Koalition der Vernunft» oder «Koalition der Einknicker». Politisch neutral – und nach dem Beispiel Deutschlands, das seine Allianzen gern nach Länderflaggen benennt – könnte man es auch als «Armenien-Koalition» bezeichnen: rot, blau und orange vereint.
Nun hat die Armenien-Koalition ihren ersten sicherheitspolitischen Erfolg seit dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs in Aussicht. Zusammen mit der GLP haben die drei Fraktionen im Nationalrat einer Ausmusterung von 25 Leopard-2-Panzern der Schweizer Armee zugestimmt. Und zusätzlich festgehalten, dass die Panzer zwingend an den deutschen Hersteller zurückverkauft werden sollen.
Darum hat die deutsche Regierung gebeten. Sie hat eine Lücke im Bestand, nachdem sie einen Teil der eigenen Panzer an die Ukraine geliefert hat. Weil Deutschland verspricht, die Panzer nicht an die Ukraine weiterzugeben, gibt es neutralitätsrechtlich keine Hindernisse. Ein Rückverkauf wäre möglich, ohne das Kriegsmaterialgesetz zu ändern.
Armenien-Koalition bahnte sich an
In der Sicherheitspolitik war eine so breite politische Allianz bisher eine Seltenheit. Das klassische Links-rechts-Schema dominierte. Auch der Ausbruch des Ukraine-Kriegs hat dies nicht unmittelbar verändert: So erhöhten die Bürgerlichen das Armeebudget gegen den Widerstand von links. Bei den Leopard-Panzern ist es anders, weil sowohl der linke als auch der rechte Pol gespalten ist. SVP und Grüne wollen die Panzer nicht an Deutschland zurückgeben, während FDP und SP dafür sind.
Die Armenien-Koalition bahnte sich schon bei der Debatte um die Wiederausfuhr von Schweizer Waffen in die Ukraine an. Doch da waren die Fraktionen teils intern gespalten, die Interessen gingen stärker auseinander. Es gab bisher keinen mehrheitsfähigen Vorschlag. Künftig könnte die Bedeutung der Armenien-Koalition noch zunehmen. Denn mit der veränderten Sicherheitslage in Europa wird internationale Kooperation auch für die neutrale Schweiz ein wichtigeres Thema.
Parteien schielen auf Wahlen
Das Geschäft um die Leopard-Panzer kommt noch in den Ständerat, wo nicht nur nach Parteizugehörigkeit gestimmt wird. In der zuständigen Ständeratskommission hatten Bürgerliche generell Bedenken angemeldet. Sie sahen die Verteidigungsfähigkeit der Schweiz in Gefahr und bestellten deshalb beim VBS einen Bericht.
Darin werden aber keine Hindernisse für den Panzerverkauf zu finden sein – das hat Verteidigungsministerin Viola Amherd inzwischen klargemacht. Womit die meisten Ständeräte von Mitte und FDP ihre Opposition aufgeben dürften. So kann die neue Koalition auf einen ersten Erfolg kurz vor den eidgenössischen Wahlen hoffen. Den sich die Parteien dann wohl individuell auf die Fahne schreiben würden.
Im Hinblick auf die Wahlen bietet die Sicherheitspolitik neu eine klare Unterscheidung zwischen SP und Grünen, die oft als politische Zwillinge gesehen werden. Weil die SP der Ukraine und den europäischen Partnern auch militärisch helfen will, preisen sich die Grünen inzwischen selbst als «letzte Bastion gegen Militarisierung» an. Auch die Kluft zwischen SVP und FDP wird bei diesem Thema immer deutlicher.
Wählerinnen und Wähler bewegen sich in der Schweiz zwar nur leicht – aber innerhalb eines politischen Lagers wechseln sie auch mal die Partei. Für SP und FDP könnte es im Herbst deshalb Hinweise darauf geben, ob sie als Teil einer «Koalition der Einknicker» gesehen werden – oder einer «Koalition der Vernunft».