Den Gastronominnen und Gastronomen von morgen fehlt die Berufserfahrung. Weil die Restaurants und auch gewisse Hotels wegen der Corona-Massnahmen geschlossen haben, können Lernende nur unter erschwerten Bedingungen an ihrem Handwerk feilen.
Branche hat Problem erkannt
Für knapp zehn Prozent der Gastro-Lernenden ist die Situation besonders prekär. Sie bekommen momentan gar keine Ausbildung. Das zeigt eine Studie der ETH, welche jeden Monat die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Berufsbildung untersucht. Im Vergleich zu den Vormonaten habe sich die Situation im Januar noch verschlechtert und der Februar werde wahrscheinlich auch keine Verbesserung mit sich bringen.
Die Branche hat das Problem erkannt und versucht mit verschiedenen Strategien entgegenzuwirken. Vorzeigebeispiel ist ein Projekt in der Stadt Luzern. Das Hotel «Wilden Mann» – das bis Ende Februar keine Gäste empfängt – ist momentan ausschliesslich für Lernende da. Angehende Köche und Serviceangestellte holen hier nach, was sie verpasst haben.
Tagesstruktur fehlt
«Gestern wurden Forellen filetiert, heute geräuchert und als Vorspeise serviert», erzählt Projektleiter Thomas Tellenbach. «Im Service trainieren wir die Weinkunde und üben den Mittagsservice.» Bedient würden andere Lernende, weil man momentan keine Gäste habe.
Tellenbach merkt den Jugendlichen an, dass ihnen die Tagesstruktur und die kurzfristigen Ziele fehlen, welche der Restaurant- und Hotel-Alltag eigentlich bieten würde. «Sie wissen teilweise nicht, wie weiter, sind frustriert und moralisch am Boden. Wir wollen sie aus diesem Loch herausholen.»
«Ich bin richtig nervös»
Ein besonderer Schwerpunkt wird auf jene Lernenden gesetzt, die dieses Jahr ihre Abschlussprüfung haben. Es sei wichtig, dass sie trotz ausfallenden Arbeitstagen darauf vorbereitet seien. Deshalb haben die Lehrlinge aus dem letzten Lehrjahr auch Vorrang, wenn es um die Verteilung der 50 Plätze im Lernenden-Hotel geht.
Eine von ihnen ist Ramona Schnarwiler, Köchin im dritten Lehrjahr. Ihr Stammbetrieb ist seit längerem geschlossen. «Man verliert die Routine», sagt sie. Oder ihre Mitlernende Lorena Gappa: «Ich bin richtig nervös wegen der Prüfungen.» Beide sind froh, im «Wilden Mann» Berufserfahrung sammeln zu können, bevor es im Frühling an den Lehrabschluss geht.
Kein «Corona-Jahrgang»
Das Projekt ist sicher bis Ende April finanziert. Die Kosten betragen rund 275'000 Franken, finanziert vom Bund, den Kantonen, privaten Sponsoren und Verbänden. Die Dienststelle Beruf und Weiterbildung des Kantons Luzern bemüht sich zudem darum, auch jenen Lernenden eine Ersatz-Ausbildung zu vermitteln, die nicht im «Wilden Mann» untergekommen sind. Etwa in Hotels, die weiterhin geöffnet haben oder in Heimen und Spitälern.
Solche Massnahmen sind laut den Forschenden der ETH Zürich zwingend. In ihrem Rapport schreiben sie, ein «eigentlicher Corona-Jahrgang» müsse verhindert werden. Heisst: Dass allein der Abschlussjahrgang 2021 für künftige Arbeitgeber abschreckend wirken könnte, weil die Lernenden zu wenig Erfahrung sammeln konnten. Die Forschenden plädieren auch dafür, die Prüfungen genauso herausfordernd zu gestalten wie in anderen Jahren. Der Lehrabschluss soll seinen Wert halten.