Die Bevölkerung der Gemeinde Glarus hat die Ausbauabsichten der Kalkfabrik Netstal genehmigt. Damit kann die letzte Schweizer Kalkfabrik zwei neue Gebiete erschliessen, die es ihr ermöglichen, die nächsten 50 Jahre Kalk abzubauen. Gegen die Überbauungspläne war das Referendum ergriffen worden. Es wurde gefordert, dass die Nachhaltigkeit in diesem Zeitraum mit Zwischenzielen überprüft wird. Dabei ging es unter anderem um den CO2-Ausstoss der Firma.
Fest im Dorf verankert
«Wenn es am Dienstag um 17 Uhr geknallt hat, wusste man, dass wieder eine ganze Felswand in sich zusammenfällt», erinnert sich Kurt Meyer aus Netstal. Der 75-Jährige trat in den 60er-Jahren in Netstal eine Stelle als Lehrer an. Heute ist Meyer Stiftungsrat bei Pro Netstal, eine Stiftung, die sich dem Ortsbild und der Geschichte des Dorfes verschrieben hat.
Die Kalkfabrik mit den markanten Abbauterrassen im Berg am östlichen Dorfrand sei aus der Region nicht mehr wegzudenken, so Meyer. In den vergangenen Jahrzehnten hätten viele von der Netstaler «Chalchi» profitiert; auch er als Lehrer: «Sie haben Schulzimmer mit Computer und Drucker ausgerüstet.» Zudem sei die Kalkfabrik eine «hervorragende» Steuerzahlerin.
Ursprung Mitte des 19. Jahrhunderts
Wenige Jahre bevor Kurt Meyer in Netstal seine Lehrerstelle angetreten hat, hatte die Kalkfabrik Netstal AG damit begonnen, ihre Infrastruktur zu erneuern. Mit zusätzlichen Öfen und einer Sortier- und Verladeanlage konnte die Produktionsmenge ab den 60er-Jahren deutlich gesteigert werden.
Der Grundstein für die Fabrik wurde jedoch schon rund 100 Jahre zuvor gelegt. Bereits 1865 übernahm der Gründer der Fabrik, Melchior Zopfi, in Schwanden die Kalkbrennerei und das Ziegelwerk seines Vaters. Noch bevor die Lagerstätte in Schwanden erschöpft war, sah sich Zopfi nach weiteren Kalksteinvorkommen um.
1899 erhielt er die Konzession, um am «Elggis» Kalk abzubauen. Ein Jahr später wurde die Kalkfabrik in Betrieb genommen und bis 1918 wuchs die Belegschaft auf 125 Mitarbeitende an.
Abbau im Tagebau
Wer heute mit dem Auto von Netstal Richtung Glarus fährt, kann die «Chalchi» respektive deren Abbaugebiet kaum übersehen. Das Gestein wird im Tagebau abgebaut und die in die Felsen gesprengten Terrassen prägen das Landschaftsbild.
Die gelösten Gesteinsbrocken werden zerkleinert und in einem Brennofen auf rund 1'100 Grad erhitzt. Durch diesen Vorgang entsteht der sogenannte Branntkalk. Dieser wird anschliessen in diverse Feinheitsgrade gemahlen und weiterverarbeitet.
Gemäss eigenen Angaben ist die Kalkfabrik in Netstal die einzige Weisskalk-Produzentin der Schweiz. 65'000 Tonnen Kalkprodukte verlassen jährlich die Fabrik. Rund 50 Mitarbeitende arbeiten heute noch im Steinbruch.
Der Kalkfabrik geht in den nächsten Jahren jedoch der Rohstoff aus. Das Unternehmen will deshalb neue Abbaugebiete erschliessen und möchte in weiteren Bereichen am Elggis Kalk abbauen.
Gegen die entsprechenden Überbauungspläne wurde jedoch das Referendum ergriffen. Die Gegner argumentieren, dass die Pläne der Kalkfabrik sowohl ökologische als auch wirtschaftliche und gesellschaftliche Folgen hätten. Konkret wird gefordert, dass die Erweiterung des Steinbruchs weniger gross ausfällt als geplant. Zudem soll die Gemeinde Glarus für den Kalkabbau finanziell besser entschädigt werden.
In den Augen der Verantwortlichen der Kalkfabrik Netstal AG ist die Erweiterung des Abbaugebietes entscheidend für den Fortbestand des Unternehmens.
An der Gemeindeversammlung der Gemeinde Glarus, zu welcher Netstal gehört, wurden die Ausbaupläne Ende November bewilligt.