Wer schwul, lesbisch oder bisexuell ist darf deswegen nicht diskriminiert oder beschimpft werden. Das besagt eine Gesetzesreform, die 2020 vom Stimmvolk angenommen wurde. Die Realität aber ist weit weg von diesem Soll-Zustand: Bei der Helpline für LGBT-Personen werden regelmässig Angriffe und Diskriminierungen gemeldet. Das zeigt, dass es Nachholbedarf gibt. Der Kanton Wallis will diesbezüglich in eine Pionierrolle schlüpfen und hat am Dienstag einen umfassenden Aktionsplan gegen diese Diskriminierung vorgestellt.
Der Walliser Staatsrat Mathias Reynard (SP), der sich auch auf nationaler Ebene für das Thema starkgemacht hat, will im Wallis vorwärtsmachen. Insgesamt werden nun 130'000 Franken für verschiedene Massnahmen und die Durchführung einer Walliser Kampagne gegen Homophobie und Transphobie investiert. Im kantonalen Amt für Gleichstellung und Familie (KAGF) wurde zudem eine neue Stelle geschaffen, die sich der Thematik LGBTIQ+ widmet.
Für die betroffenen Personen ist es sehr wichtig, dass wir das anpacken.
Es gibt mehr Schulungen für Fachpersonen oder in Schulklassen. Weiter wird ein Netzwerk an Fachpersonen aufgebaut, das sichtbar macht, wo man sich mit welchen Problemen hinwenden kann. Es soll eine Beratungsstelle geben, insbesondere für diejenigen Menschen, die sich in einem Transitionsprozess befinden.
«Es gibt bisher kaum Informationen für die Bevölkerung und die Fachleute. Es gibt viel zu tun», so Reynard. «Es ist wichtig, dass alle Personen die gleichen Rechte haben.»
Das sagen queere Walliserinnen und Walliser
Wie ist es, im Wallis zu leben und nicht hetero zu sein? Gibt es tatsächlich Nachholbedarf? Mitglieder des Vereins Queer Wallis geben im Regionaljournal Bern Freiburg Wallis Einblick. Alessandra (31) erzählt von einem Erlebnis, das sie zusammen mit ihrer Freundin am Bahnhof Brig nach dem Besuch an der Pride erlebte: «Eine Gruppe Jugendlicher kam auf uns zu. Sie verfluchten uns als ‹Scheiss Homos›, wir sollten alle sterben. Dieser Moment hat uns wirklich geschockt; dass diese Leute wirklich glauben, dass etwas mit uns falsch ist und sie uns den Tod wünschen.»
Die Gefahr des Fremdoutings besteht im Wallis.
Im Wallis sind die Menschen nicht zahlreich, man kennt sich. Das sei ein zusätzliches Problem, erklärt Tamara (26): «Die fehlende Anonymität ist sicher eine Herausforderung. Diese Nähe kann Druck ausüben auf die queere Community. Die Angst besteht, dass einen fremde Menschen outen, ohne dass man das möchte.» Auch Melanie (33) schliesst sich dem an: «Es spricht sich schnell im Dorf herum. Die Konsequenz ist, dass viele in die Stadt ziehen. Aus Gründen der Anonymität und weil die queere Szene grösser ist.»
Marcelo (27) ist froh, dass die Politik sich dem Thema annimmt. «Das Schlimmste an der Alltagsdiskriminierung ist, dass es so alltäglich ist, dass wir es manchmal gar nicht mehr merken und es für uns normal ist. Trotzdem ist es auch sehr belastend.»
Ist Wallis wirklich Pionierkanton?
«Ich glaube, der Walliser Aktionsplan ist tatsächlich eine Pionierleistung», sagt Roman Heggli, Geschäftsführer des Dachverbandes Pink Cross für schwule und bisexuelle Männer. Die Deutschschweiz habe definitiv Nachholbedarf, was das Engagement gegen Diskriminierung angeht. «Es gibt aber auch andere Kantone, gerade in der Romandie, die bereits sehr weit sind.»
Er lobt insbesondere die vielen unterschiedlichen Massnahmen – Schulungen, Beratungen und Netzwerke – die der Kanton Wallis anstrebt. Wichtig sei zudem die tiefgründige Analyse, auf der der Plan basiert. «Man merkt, dass das Ganze gut durchdacht ist.»