Die Trillerpfeiffe ertönt, Geräusche von Kufen auf Eis und an die Banden knallende Pucks sind zu hören. Torjubel gibt es keinen. Die ZSC Lions sind seit einer Woche wieder auf dem Eis, doch bis anhin nur fürs Training. In etwas mehr als einem Monat sollen aber bereits die ersten Spiele der National Hockey League stattfinden.
Wenn die Regel nicht gelockert wird, ist das eine Frage der Zeit, bis wir den Konkurs anmelden müssen.
Nach Plan startet die Eishockeysaison am 18. September. Mit den jetzigen Coronaregeln wäre das aber nur schwer möglich, denn nur maximal 1000 Zuschauerinnen und Zuschauer dürften die Spiele verfolgen. Wie lange das noch so ist, soll am Mittwoch klarer werden: Dann wird wohl der Bundesrat darüber beraten, ob die 1000er-Regel für Grossveranstaltungen gelockert, verlängert oder gar aufgehoben wird.
Maskenpflicht und keine Gästefans
Der Sportchef der ZSC Lions, Sven Leuenberger, setzt grosse Hoffnungen in den morgigen Tag. Für das Schweizer Eishockey gehe es um die Existenz: «Wenn die Regel nicht gelockert wird, ist das eine Frage der Zeit, bis wir den Konkurs anmelden müssen.»
Wenn wir jetzt noch weiter lockern, werden die Infektionszahlen weiter steigen und dann wird die Kontaktverfolgung extrem schwierig.
Die Fussball- und Hockeyclubs haben sich bereits überlegt, wie Spiele mit tausenden von Zuschauern coronagerecht umgesetzt werden können. Konkret hiesse das wohl eine Maskenpflicht, keine Stehplätze und keine Gästefans. Das Contact Tracing soll durch personalisierte Tickets sichergestellt werden. Zudem soll jede Zuschauerin in einer Selbstdeklaration erklären, dass sie gesund ist. Das definitive Schutzkonzept wird bei einem allfälligen Entscheid des Bundesrates an einem Ligatreffen am Freitag diskutiert.
Warnung vor Lockerung
Trotz all dieser Massnahmen: Die Epidemiologin Tanja Stadler sieht gar keinen Spielraum für Lockerungen. Die Situation sei zurzeit wegen immer wieder steigender Fallzahlen sehr kritisch. «Wenn wir jetzt noch weiter lockern, werden die Infektionszahlen weiter steigen und dann wird die Kontaktverfolgung extrem schwierig. Die Zahlen könnten ungebremst steigen.»
Auch die meisten Kantone halten nichts von einer schnellen Lockerung bei Grossveranstaltungen. Sie wollen die 1000er-Regel noch bis mindestens Ende Jahr beibehalten, wie die Konferenz der Gesundheitsdirektoren verlauten lässt. Bald könnte den Kantonen aber mehr Verantwortung bei dieser Frage zufallen.
Der Bundesrat diskutiert unter anderem, statt die Frage auf Bundesebene zu lösen, eine kantonale Bewilligungspflicht einzuführen. Die Kantone selber sind davon nicht begeistert. Das würde zu Vollzugsproblemen führen, sagen sie. Am liebsten würden die Kantone erst im November entscheiden, denn die epidemiologische Lage sei zu labil. Man müsse erst Erfahrungen mit kleineren Veranstaltungen sammeln.
Risikoeinschätzung: schwarz und weiss?
Und trotzdem weibeln die Sportclubs seit Wochen dafür, dass Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen wieder stattfinden dürfen. Der ZSC-Sportchef sagt, man müsse auch an die Wirtschaft denken, denn an Fussball und Eishockey hängen tausende von Jobs. Er sei klar dafür, das Risiko einzugehen und Jobs zu erhalten.
Die Risikoeinschätzung, welche der Bundesrat am Mittwoch machen soll, erscheint also auf den ersten Blick ähnlich wie bei vielen anderen Corona-Entscheiden: epidemiologische Vorsicht gegen wirtschaftliche Interessen. Doch so schwarz und weiss war und ist es wohl nicht. Ob der Bundesrat erneut einen Zwischenweg findet und der Torjubel wieder lauter wird, könnte sich am Mittwoch zeigen.