Hinter den Bildschirmen sitzen ein paar junge Leute. Unter dem Schreibtisch schläft ein Hund. Die Atmosphäre auf der Redaktion von «tsüri.ch» im Stadtzürcher Kreis 5 ist an diesem Mittwochmorgen ruhig, aber geschäftig.
So komfortabel hat es die Redaktion erst seit zweieinhalb Jahren. Vorher folgte eine Zwischennutzung der anderen. Die Journalistinnen und Journalisten arbeiteten auch schon in einem Keller.
Auch sonst hat sich in bald zehn Jahren einiges verändert. Arbeitete das Gründungsteam 2015 noch ehrenamtlich, erhalten heute alle zehn Angestellten einen Lohn – alle den gleichen: 4300 Franken pro Monat für ein 80-Prozent-Pensum.
Redaktion greift linke Themen auf
Damit macht man in Zürich keine grossen Sprünge. Aber es sind andere Dinge, die die Teammitglieder von «tsüri.ch» an ihrem Job schätzen: den Zusammenhalt im Team, das flexible Arbeitsmodell und die Ausrichtung.
Letztere zeigt sich in der Themenwahl. Das Zürcher Onlinemagazin schreibt über klassische links-grüne Themen: wie etwa über den Verkehr, das Klima, das Wohnen oder über Geschlechterfragen.
Wir sind links positioniert, aber wir bleiben neutral und kritisch.
Mit «tsüri.ch» würde man auch die Stadtbevölkerung repräsentieren, sagt Co-Geschäftsleiter Elio Donauer. Und Zürich sei nun halt rot-grün. «Wir sind links positioniert, aber wir bleiben neutral und kritisch.» Für Donauer kein Widerspruch.
Mit ihren Inhalten spricht die Redaktion vor allem junge Zürcherinnen und Zürcher an. Ihr Zielpublikum ist 20 bis 40 Jahre alt.
Bezahlen ist freiwillig
Die Artikel des Onlinemagazins sind gratis. Seine verschiedenen Newsletter verschickt es an etwa 15'000 Personen. Neben den digitalen Angeboten organisiert das Team auch Veranstaltungen.
Etwa 1500 Leserinnen und Leser sind sogenannte Member. Sie zahlen einen monatlichen Beitrag. Darauf ist Donauer stolz: «Wir haben bewiesen, dass es sich auszahlt, eine Community aufzubauen und ihnen aufzuzeigen, welche wichtige Arbeit wir machen.» So seien die Leute bereit, sie zu unterstützen. Nicht selbstverständlich in einer Zeit, in der auch grosse Medienunternehmen nach Einnahmequellen suchen.
Es hat niemand damit gerechnet, dass das funktioniert.
Mit der Werbung und mit Einnahmen von den Veranstaltungen komme das Onlinemagazin über die Runden. Eine Erfolgsgeschichte, die sogar die Gründerinnen und Gründer überrascht hat. «Es hat niemand damit gerechnet, dass das funktioniert.» Am Anfang hätten sie einfach ausprobiert. Nun feiert «tsüri.ch» ein Jahr lang das zehnjährige Bestehen.
Ein Ansatz, aber nicht die Lösung für die Medienkrise
Linards Udris forscht am Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft der Universität Zürich zum Thema Medienwandel. Für ihn bietet «tsüri.ch» einen «recht professionellen, guten und soliden Journalismus».
Es sei wichtig, dass es solche Medien gebe, sagt Udris. Neben «tsüri.ch» seien in der Schweiz in den letzten Jahren einige Dutzend reine Onlineanbieter entstanden, die sich häufig auf lokale Geschichten konzentrieren. Dazu gehören beispielsweise «bajour» in Basel oder «Hauptstadt» in Bern.
Solche Onlinemagazine alleine könnten den Lokaljournalismus jedoch nicht retten, sagt Udris: «Es sind doch Nischenangebote, die verhältnismässig kleine Redaktionen haben und mit einem sehr beschränkten Budget funktionieren.» Für den Medienwissenschaftler ist deshalb klar, dass die Gesellschaft auch über eine öffentliche Finanzierung diskutieren müsse.