Der Anruf kommt aus heiterem Himmel: In der Operationszentrale der Schweizer Luftwaffe meldet sich der Einsatzleiter, der Chief Air Defense. Ein «Comloss» wird gemeldet – ein Pilot oder Pilotin ist über Funk nicht mehr erreichbar. Das Flugzeug steuert den Schweizer Luftraum an.
Ein «Alpha Scramble» ist angesagt, so nennt sich in der Fliegersprache ein Alarmstart. «The Hammers», die Hammer, sind die beiden in Payerne (VD) bereit stehenden F/A-18-Kampfflugzeuge, die jetzt aufsteigen werden. Die Piloten müssen abklären, ob vom Flugzeug eine Bedrohung ausgeht – eine sogenannte «Hot Mission».
Die Piloten rennen los, bereits in Fliegermontur, steigen in die Jets und starten. Innerhalb von 15 Minuten müssen sie in der Luft sein. Ab Januar 2021 werden rund um die Uhr immer zwei Flugzeuge für den Luftpolizeieinsatz bereitstehen.
Bundesrats-Jet unterwegs
Oberst Pierre-Yves Eberle ist Chef der Operationszentrale der Luftwaffe. Er steht vor einem Grossbildschirm, auf dem man das aktuelle Luftlagebild sieht. Eberle zeigt auf ein Flugzeug über der Ostschweiz: «Das ist der Lufttransportdienst des Bundes, der Bundesrats-Jet SUI 784, der da unterwegs ist. Er ist in Bern abgehoben und fliegt irgendwohin ins Ausland.» Ob eine Bundesrätin oder ein Bundesrat drin sitzt, will oder kann Eberle nicht sagen.
Die Luftraumüberwachung mit dem Radarsystem der Militär- und Zivilluftfahrt, das Florako-System, gehört ebenfalls zum Luftpolizeidienst für die Rund-um-die-Uhr-Überwachung des Schweizer Luftraums.
Luftpolizei zählt auf Kooperation
Was, wenn sich ein Pilot nicht an die Regeln hält? Welche Mittel und Möglichkeiten hat die Luftwaffe im Luftpolizeidienst? «Die Drohmittel sind die Kampfflugzeuge. Wir haben auch Warnfackeln, die wir abschiessen können», erklärt Eberle. «Und es ist klar, dass es darauf ankommt, dass die Person im Cockpit vernünftig und kooperativ ist.»
Sollte sich hingegen ein Flugzeug als Bedrohung herausstellen, müsste innert Minuten Verteidigungsministerin Viola Amherd kontaktiert werden. Nur sie kann einen allfälligen Abschussbefehl geben.
Kontrolle von Regierungsflugzeugen
Der Alltag im Luftpolizeidienst ist vor allem von sogenannten «Live Missions» geprägt. Das sind Stichproben-Kontrollen von ausländischen, staatlichen Flugzeugen. Das können Militärtransporter sein oder zivile Regierungsflugzeuge, die sich vorgängig anmelden müssen, wenn sie die Schweiz überfliegen wollen.
«Als neutraler Staat ist das extrem wichtig für uns, insbesondere weil auch Kriegseinsätze geflogen werden von Langstreckenflugzeugen. Da sind wir als neutrales Land darauf angewiesen, dass unser Lufttraum und unsere Hoheit respektiert wird», erklärt Eberle. Fast täglich komme es zu solch einer Kontrolle.
Kann die Luftpolizei auch Bussen verteilen, wie die Polizei am Boden? «Nein», sagt Eberle, «es gibt keine Ordnungsbussen in der Luftfahrt. Da entscheidet das Bundesamt für Zivilluftfahrt (Bazl), ob die Fluglizenz entzogen wird.»
Es drohe dem Piloten zudem sehr schnell ein Strafverfahren von der Schweizer Bundesanwaltschaft, ergänzt Eberle. Da kann also durchaus «gröberes Geschütz» aufgefahren werden, juristisch natürlich nur.