«Quelle surprise», schrieben die Westschweizer Medien, als der Regierungsrat 2006 Monica Bonfanti zur Genfer Polizeikommandantin ernannte. Eine 36-jährige Tessinerin: Alter, Geschlecht und Herkunft überraschten. Kam dazu: Die Genfer Kantonspolizei steckte damals in einer grossen Krise. Machtkämpfe tobten und zwei Kommandanten gingen innert kürzester Zeit.
Monica Bonfanti erinnert sich: «Es war eine schwierige Sache. Man zeichnete quasi ein Phantombild eines künftigen Kommandanten oder einer Kommandantin, nach Möglichkeit sollte es eine Frau sein.» Der Bevölkerung hätte damit signalisiert werden sollen, dass sich die Kantonspolizei selbst verändern wolle. «Ich sagte Ja, probieren wir das! Und jetzt, nach 15 Jahren, bin ich immer noch da», sagt sie mit einem Schmunzeln.
Ich komme vom Eiskunstlauf. Dort muss man wieder aufstehen, wenn man gestürzt ist. Und so ist es auch in meinem Job.
Bonfanti gehörte damals bereits sechs Jahre zur forensischen Abteilung der Genfer Kantonspolizei. Und sie kannte die Polizei auch schon aus Zürich von innen. Während sie ihre Doktorarbeit schrieb, arbeitete sie im wissenschaftlichen Dienst der Stadtpolizei.
Schwierige erste Jahre
Aufgewachsen ist Bonfanti im Tessin. Hochdeutsch spreche sie kaum noch, sagt sie, doch Schweizerdeutsch sei eine ihrer Muttersprachen.
«Madame la commandante» wird Monica Bonfanti in Genf genannt und trotz schwieriger erster Jahre, in denen Gewerkschaften mehrmals ihren Rücktritt forderten, liess sie sich nicht unterkriegen: «Ich wusste, dass es nicht einfach wird. Ich komme ja vom Eiskunstlauf. Dort muss man wieder aufstehen, wenn man gestürzt ist. Und so ist es auch in meinem Job.»
Jahrelang hat sie noch unterrichtet, doch als Kommandantin fehlt ihr nun die Zeit fürs Eiskunstlaufen. Was bleibt: Wenn es darum geht, Frauen innerhalb der Polizei zu fördern, punkten bei Monica Bonfanti auch Offiziersanwärterinnen mit weniger traditionellen Lebensläufen.
Vor zehn, fünfzehn Jahren sei eine militärische Karriere noch erwartet worden, erzählt Bonfanti. «Heute gibt es aber auch Frauen, die nicht in der Armee waren und die Erfahrungen in anderen Bereichen haben.» So hat Bonfanti etwa eine klassische Tänzerin eingestellt. «Klassischer Tanz ist hart. Darin stecken viel Wille und Disziplin. Ich finde es gut, dass man das nun auch bei der Polizei anerkennt.»
Umkrempeln könne sie die Polizei nicht, doch immer wieder Akzente setzen, sagt Monica Bonfanti. Die Akzeptanz der Genfer Kantonspolizei bei der Bevölkerung ist unter ihr massiv gestiegen, wie regelmässige Umfragen zeigen. Trotzdem: frei von Skandalen blieb die Polizei nicht.
Negativschlagzeilen wegen Korruptionsvorwürfen
Über die Kantonsgrenzen hinaus für Aufsehen sorgte der Korruptionsvorwurf, Polizisten hätten bei Kontrollen im Rotlichtmilieu von Bussen abgesehen und dafür gratis Sex erhalten. Strafrechtlich ist von den Vorwürfen zwar wenig hängen geblieben, doch Bonfanti ging nicht zimperlich vor und die Betroffenen mussten bei ihr antraben. «Sie mussten alles erklären, was sie gemacht hatten. Es dauerte pro Polizist drei, vier Stunden. Wir analysierten, wie die Polizisten in ihre Position kamen – alles kam zur Sprache. Wir sagten ihnen, dass es so nicht geht.»
Bonfanti sprach interne Sanktionen aus. Sie agierte, wie sie es meist versuche: bestimmt, pragmatisch und engagiert. In Genf hat man sich längst daran gewöhnt hat, dass eine Frau der Polizei vorsteht und rund die Hälfte der 1500 Polizistinnen und Polizisten kennt gar nichts anderes. Dennoch hofft sie, eines Tages nicht mehr die einzige kantonale Polizeikommandantin zu sein.
* Mittlerweile hat auch der Kanton Waadt angekündigt, mit Sylvie Bula eine Polizeikommandantin zu ernennen, sie ist allerdings noch nicht im Amt.