Die Lichter blenden auf, die «Arena» präsentiert sich im neuen Gewand. Die Sendung nimmt sich zum Auftakt ein grosses Thema vor: die Neutralität. Sie gehört zur Schweiz wie das weisse Kreuz auf rotem Grund. Der Inhalt und die Tragweite der Neutralität haben sich jedoch im Verlauf der Geschichte immer wieder verändert.
«Historikerstreit» um Marignano
1515 wurden die Eidgenossen von den Franzosen in der Lombardei vernichtend geschlagen. 500 Jahre später sorgt die Schlacht von Marignano für heftige Debatten. War die Niederlage der Anfang der schweizerischen Neutralität, oder bleibt Marignano ein Mythos, der politisch instrumentalisiert wird?
Für den SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz ist Marignano die Geburtsstätte der Neutralität. «Mit dieser Niederlage starben ganz klar die schweizerischen Gelüste weitere Gebiete zu erobern.» Das sei heilsam gewesen, mit dieser Schlacht sei die aussenpolitische Zurückhaltung begründet worden.
Ziegler: «Kompletter Unsinn»
Ähnlich sieht das der St. Galler CVP-Nationalrat Jakob Büchler. Die Eidgenossen hätten realisiert, dass die kleine Schweiz nicht in grosse Kriege ziehen könne, ohne sich grosse Probleme einzuhandeln.
Rückhalt erfahren die beiden Politiker vom Lehrbeauftragten für Internationale Beziehungen an der Universität St. Gallen. Laut Paul Widmer kommt um 1500 das Konzept der Neutralität auf. So habe damals die Schweiz Positionen eingenommen, die der Neutralität entsprächen. «Beispielsweise als Basel und Schaffhausen zur Eidgenossenschaft gekommen sind, hat man sie zum ‹stille sitzen› verpflichtet», führt Widmer aus.
«Kompletter Unsinn», ist dagegen die Reaktion von alt Nationalrat (SP/GE) Jean Ziegler. Kein Mensch habe 1515 von Neutralität geredet. So hätten sich beispielsweise Bern und Freiburg damals aus dem Bündnis verabschiedet, weil sie von den Franzosen gekauft worden seien. «Die erste Erklärung zur Neutralität gab es 1815 am Wiener Kongress.»
Unparteiisch oder engagiert?
GLP-Fraktionschefin Tiana Angelina Moser lenkt die Debatte mit ihrem Einwurf in die Gegenwart. Viel wichtiger als über die Geburtsstunde der Neutralität zu streiten, sei die Diskussion darüber, was die Neutralität 2015 für die Schweiz bedeute. Der Kern der Neutralität sei, dass man sich nicht an Militärbündnissen oder kriegerischen Auseinandersetzungen beteilige, hält Moser fest. «Wir haben eine Verantwortung wahrzunehmen als neutraler Staat. Wir machen das auch sehr gut mit unseren Vermittlungsdiensten sowie mit dem international ausgerichteten Standort Genf.»
Die Meinungen gehen bei der Frage, wie stark sich die Schweiz in Konfliktsituationen engagieren oder heraushalten soll, weit auseinander. Während CVP-Nationalrat Büchler einen dynamischen Neutralitätsbegriff propagiert, legt SVP-Fraktionschef Adrian Amstutz den Begriff umfassend aus. «Man muss als Neutraler nicht geliebt werden, sondern respektiert und zwar von beiden Seiten.» Das gelte insbesondere für Sanktionen. In der Ukraine-Krise verhalte sich der Bundesrat in der Aussenwahrnehmung nicht neutral, sondern stehe eher auf Seiten der EU.
An die Adresse von Amstutz macht Völkerrechtsprofessor Oliver Diggelmann klar: die Hoffnung bei der Neutralität sei, dass man durch Abstand halten zu den Konfliktparteien nicht involviert werde. «Das Problem ist, dass es Konstellationen gibt, die das verunmöglichen. Man wir involviert, egal wie man sich verhält.»
Kritik an Swisscoy-Einsatz
Deshalb, so wiederholt UNO-Berater Jean Ziegler mehrfach während der Sendung, müsse die Schweiz mehr Soldaten für die Friedenssicherung stellen. Die Schweiz sei schliesslich seit 2002 in der UNO, das habe die Situation völlig verändert. Herr Ogi als Bundespräsident und Herr Deiss als Aussenminister hätten vor seinen Augen die UNO-Charta unterschrieben. «Darin steht, dass es eine Verpflichtung gibt, dem Sicherheitsrat Militärkontingente zu stellen zur Sicherung des Weltfriedens.»
In diesem Zusammenhang wird auch der Einsatz von Swisscoy-Soldaten im Kosovo angesprochen. Alle Politiker sehen darin einen sinnvollen Einsatz, der nach den Worten von Moser die Sicherheit erhöht hat. Ausser Amstutz. Er hält den Wert des Einsatzes für höchst umstritten. Der Berner SVP-Nationalrat bezeichnet die Schweizer Soldaten als Briefträger und unterstellt ihnen indirekt, nur aus finanziellen Gründen in den Kosovo gereist zu sein.
Weit auseinander gehen die Meinungen auch bei Schweizer Waffenexporten. Militärpolitiker Büchler verteidigt Waffenlieferungen an autoritäre Regime wie Saudi-Arabien: «Wir schicken nicht jedem Schurkenstaat Waffen.» Der Missbrauch solcher Lieferungen kratze allerdings an der Glaubwürdigkeit der Schweizer Neutralitätspolitik, sagt dagegen GLP-Fraktionschefin Moser.
Zeitreise mit Begleitung
Zum Abschluss der Sendung stellt Moderator Jonas Projer allen Teilnehmer eine persönliche Frage: «Wen würden sie auf eine Zeitreise in die Schweizer Geschichte mitnehmen?» Sehen Sie selbst.