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Masseneinwanderungs-Initiative «Arena»: Nutzen oder Schaden durch Zuwanderung?

Vor der Volksabstimmung am 9. Februar wird heftig über die SVP-Initiative «Gegen Masseneinwanderung» diskutiert. Fest steht: Seit der Personenfreizügigkeit hat die Zuwanderung in die Schweiz deutlich zugenommen. Die Gegner sehen die Probleme zwar. Für sie ist die Initiative aber der falsche Weg.

Die Zahlen sind eindrücklich: Zwischen den Jahren 2007 und 2012 wanderten laut Bundesamt für Migration netto jährlich zwischen 50'000 und 90'000 Ausländer in die Schweiz ein.

In der «Arena» diskutieren

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Pro:

  • Adrian Amstutz, Nationalrat SVP/BE
  • Thomas Minder, Ständerat parteilos/SH

Contra:

  • Simonetta Sommaruga, Bundesrätin SP
  • Jean-Michel Cina, Volkswirtschaftsdirektor CVP/VS

Die SVP will der Zuwanderung mit ihrer Volksinitiative «Gegen Masseneinwanderung» einen Riegel schieben. Sie fordert, dass jährlich mittels Kontingenten eine Höchstzahl festgelegt wird. Schweizer sollen zudem gegenüber Ausländern bei der Arbeitssuche bevorzugt werden.

Bundesrat und Parlament lehnen die Initiative ab. Die heutige Zuwanderungspolitik habe sich bewährt, begründen sie. Die Gegner kritisieren, dass die Initiative der SVP insbesondere nicht mit dem Freizügigkeitsabkommen zwischen der Schweiz und der EU sowie mit der entsprechenden Konvention der EFTA vereinbar sei. Sie betonen zudem, dass eine Annahme die bilateralen Beziehungen zu den europäischen Partnerländern in Frage stelle und der Schweizer Wirtschaft schade.

Personenfreizügigkeit: Überwiegt der Nutzen?

In der «Arena» räumt SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga ein, dass es bei der Zuwanderung Probleme gebe. Die Initiative der SVP löse diese jedoch nicht. Viel mehr gefährde das Begehren den Wohlstand in der Schweiz und schaffe Ungewissheit.

SVP-Nationalrat Adrian Amstutz dagegen findet: «Das kann so nicht weitergehen». Seit Einführung der Personenfreizügigkeit 2002 sei die Zahl der Bevölkerung in der Schweiz explodiert. Heute zähle die Schweiz acht Millionen Einwohner. 2035 würden es bereits zehn Millionen sein. Der Schweizer Wirtschaft gehe es zwar gut, doch das allein zähle nicht. «Die Landschaftsflächen, der Ausbau des ÖV und bezahlbare Wohnungsmieten gehören zum Allgemeinwohl dazu.»

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Er und der Grossteil der Bürger fühlten sich hinters Licht geführt, sagt Amstutz weiter. Vor der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit im Mai 2000 sei versprochen worden, dass nur jene Ausländer Einreiseerlaubnis erhielten, die eine Anstellung in der Schweiz vorweisen könnten. «Heute haben sie sogar Sozialleistungen erhalten.»

Sommaruga stellt dazu klar: «Im Freizügigkeitsabkommen mit der EU steht explizit, dass Arbeitssuchende keine Sozialhilfe in der Schweiz erhalten dürfen». Gewisse Gemeinden hätten diese zwar freiwillig geleistet. Deshalb habe der Bundesrat nun eine einheitliche Regelung beschlossen, wonach Arbeitssuchende aus dem Ausland in der Schweiz keine Sozialhilfe erhalten sollen.

Für CVP-Politiker Jean-Michel Cina bringt die Zuwanderung zwar auch «negative Begleiterscheinungen» mit sich. Ihm stelle sich aber die Frage, ob deswegen tatsächlich das Gleichgewicht in der Schweiz gestört sei. «Nein», beantwortet er die Frage gleich selbst.

Kontingente werfen Fragen auf

FDP-Vizepräsident Christian Wasserfallen wirft Amstutz vor, den «Kompass völlig verloren» zu haben. Er kritisiert den Initiativtext der SVP als zu ungenau. So spreche die SVP zwar von jährlichen Höchstzahlen, könne selbst aber keine nennen. Amstutz entgegnet, es sollten zwischen 42‘000 und 46'000 Personen pro Jahr einreisen dürfen, so viele wie während der ersten Phase der Bilateralen zwischen 2002 und 2007.

Wasserfallen hält es für einen «Sündenfall», sämtliche Arbeitssuchende aus dem Ausland in einen Topf zu werfen, wie es die Initiative fordere. Für die Schweizer Wirtschaft sei es wichtig, genau aufzuschlüsseln, welche Personen einreisen dürfen. Man müsse zwischen Asylsuchenden, Personen aus der EU und solchen aus Drittweltstaaten unterscheiden.

Infografik

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Interaktive Grafik der Schweiz

Was hat sich seit der Einführung der Personenfreizügigkeit mit der EU in den Schweizer Gemeinden verändert? SRF hat in einer umfangreichen Datenauswertung verschiedene Faktoren visualisiert .

Auch für Bundesrätin Sommaruga lässt die Initiative Fragen offen. Für sie sei nicht klar, wie die darin geforderten Kontingente überhaupt festgelegt würden. Befürworter Thomas Minder schlägt vor, für die Kontingentierung ein Gesetz zu schaffen. Er ärgert sich darüber, dass immer noch viele Arbeitskräfte aus dem Ausland geholt werden, «obschon es in der Schweiz genügend Auswahl gibt».

Wie weiter mit der EU?

Falls die Initiative angenommen würde, hätte der Bundesrat bei der Neuverhandlung der Bilateralen Verträge in Brüssel einen äusserst schweren Stand: Darin sind sich die Gegner der Initiative in der «Arena» einig.

Es sei ungewiss, ob die EU der Schweiz noch einmal eine Sonderbehandlung einräumen werde, warnt Sommaruga. Alle 28 Länder der EU müssten ihr zustimmen. Am 9. Februar gehe es daher um nicht weniger als um die Zukunft der Schweiz. «Das Volk übernimmt mit der Abstimmung eine sehr grosse Verantwortung.»

Adrian Amstutz hält dazu nur fest: Bei einem Ja «hätte der Bundesrat die Pflicht, neue Verhandlungen mit der EU aufzunehmen.» Thomas Minder sieht die Verträge mit der EU nicht gefährdet. Er bezweifelt, dass ein EU-Abgeordneter jemals einen vom Volk gewählten Entscheid negieren würde. «Ausserdem kündigt die Schweiz nichts, sondern handelt lediglich neu aus».

Das sei eine «totale Fehleinschätzung», kontert Jean-Michel Cina. «Bei den Bilateralen geht es um zweiseitige Verträge mit Pflichten.» Die Schweiz könne der EU nicht einfach eine Neuverhandlung aufzwingen. Die Personenfreizügigkeit sei eines der vier Grundrechte der EU und deshalb sei es höchst zweifelhaft, ob Brüssel hier einlenken wolle.

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