Was Kundenbegleiter Anthony Rizzo Ende Mai erlebt hat, hinterliess bei ihm ein ungutes Gefühl. «In den acht Jahren bei der SBB war das eines der wenigen Male, wo ich wirklich Angst hatte, nicht gesund heimzukommen.»
250 Fans des Fussballclubs Servette Genf nahmen nach dem Auswärtsspiel in Luzern keinen Extrazug, sondern eine fahrplanmässige Verbindung. In Morges (VD) war vorläufig Endstation, es kam zu Ausschreitungen. Plötzlich seien zwei Fans aufeinander losgegangen.
Da schlug der Fan meinem Kollegen mit der Faust ins Gesicht.
«Mein Kollege hat gefragt, ob sich die beiden wegbewegen könnten. Es hatte Familien mit Kindern und andere Reisende. Da schlug der Fan meinem Kollegen mit der Faust ins Gesicht.» Die Fans hätten erklärt, wenn nicht weitergefahren werde, würde das Zugpersonal «nicht auf beiden Beinen nach Hause kommen», so Rizzo.
Weil das nicht der einzige Fankrawall war, appelliert die Gewerkschaft des Bahnpersonals (SEV) jetzt an Liga, Klubs und Sicherheitsbehörden, ihre Verantwortung für mehr Sicherheit wahrzunehmen, auch dem Zugpersonal gegenüber.
Involvierte sehen wachsende Herausforderung
Adrian Gaugler von der Konferenz der kantonalen Polizeikommandantinnen und -kommandanten erklärt, die neue 12er-Liga bedeute auch für die Polizei eine Herausforderung. «Die Aufstockung bedeutet mehr Spiele und entsprechend heisst das mehr Polizeiaufgebote.» Der zusätzliche Aufwand verschärfe die bereits heute hohe Belastung der Polizeikorps noch zusätzlich, so Gaugler.
Besonders davon betroffen ist die Westschweiz. Aus dem Kanton Waadt steigen auf die neue Saison hin gleich drei Teams in die höchste Schweizer Liga auf: FC Lausanne Sport, Stadt Lausanne Ouchy und Yverdon Sport. Mehr Auswärtsspiele in der Westschweiz heisst: längere Anfahrten für die Fans. Und das dürfte Folgen haben.
Die Anreise ist wirklich der Punkt im Ablauf eines Spieltages, der sehr schwierig ist.
Philippe Guggisberg von der Swiss Football League sagt: «Die Anreise ist wirklich der Punkt im Ablauf eines Spieltages, der sehr schwierig ist.» Anders sei die Situation heute in den Stadien, wo die Situation weitgehend unter Kontrolle sei.
Unter dem Namen «Progresso» hat deshalb vergangene Woche eine neue Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit aufgenommen. Vertreter von Liga und der kantonalen Sicherheitsbehörden wollen gemeinsam mit der SBB Lösungen für den Fantransport entwickeln. Bis Ende Jahr sollen Massnahmen präsentiert werden.
SBB ermutigt Angestellte zu Anzeige
Bei der SBB heisst es, man empfehle den Mitarbeitenden, Fälle wie jener in Morges (VD) anzuzeigen. Und: Wer Fanzüge begleite, tue dies freiwillig und werde dafür auch speziell ausgebildet, sagt Mediensprecherin Sabrina Schellenberg. Neu werde auch ein zusätzlicher Kurs für die Arbeit auf Fanzügen angeboten. Zudem verfüge die SBB über ein Care-Team für die Betroffenen.
Ich habe ein bisschen Angst.
Eine pfannenfertige Lösung, um die Ausschreitungen bei Fantransporten in den Griff zu bekommen, liegt aktuell aber noch nicht vor – trotz zunehmender Belastung.
Kundenbegleiter Anthony Rizzo schaut deshalb mit einem mulmigen Gefühl in die neue Saison. «Ich habe ein bisschen Angst. Es werden noch mehr Fans unterwegs sein und die ersten, die davon betroffen sein werden, sind wir in den Zügen.»