Da sitzt man mit der höchsten Schweizer Polizistin auf dem Waisenhausplatz. Links und rechts rollt der Verkehr. Und man sagt: «Gewalt gehört doch irgendwie zum Polizeijob.» Damit ist man aber bei Johanna Bundi Ryser, der neuen Präsidentin des schweizerischen Polizeibeamtenverbandes definitiv an der Falschen. Sie ist die erste Frau an der Spitze des Verbandes und vertritt 26'000 Kolleginnen und Kollegen.
«Möchten Sie, dass – wenn Sie ein Interview machen – Ihnen jemand eine Ohrfeige gibt?» Und sie fügt an: «Wir jammern nicht. Aber es ist Fakt, dass die Angriffe zugenommen haben und brutaler werden. Wenn ein Polizist am Boden liegt, wird er noch mit den Füssen getrampelt.»
Mehr Beamte bedroht oder angegriffen
Die Statistik zeigt es auf: Im Jahr 2000 gab es 774 Fälle, in denen Polizisten bedroht oder angegriffen wurden. 2017 waren es schon 3102 Fälle. Das sei zu viel, sagt Bundi Ryser. Die Polizeibeamten werden beschimpft, angespuckt, gebissen, geschlagen. «Achtmal pro Tag wird ein Polizist angegriffen», sagt sie.
Die Täter sind Fussball-Chaoten, besoffene Partygänger, Krawallmacher. Es seien Menschen aus allen Gesellschaftsschichten. «Es können Junge oder Alte sein. Häufig sind Alkohol und Drogen im Spiel und die Leute verlieren jegliche Hemmungen.»
Hartnäckig sei sie, sagt Bundi Ryser. «Vielleicht hat das auch mit der Erziehung zu tun, ich bin Bündnerin, und denen sagt man nach, dass sie stur seien. Allerdings sehe ich die Sturheit nicht als negativ, sondern für mich ist es auch eine gewisse Hartnäckigkeit, um ein Ziel zu verfolgen.»
Manchmal müsse man auch berechnend für die Sache der Polizei sein. «Aber man muss immer fair und ehrlich sein.»
Anzeigen gegen Polizisten haben auch zugenommen
Deshalb soll ehrlicherweise auch erwähnt werden, dass zwar die Gewalt gegen Beamte massiv zugenommen hat, gleichzeitig ist aber auch die Zahl der Anzeigen gegen Polizisten wegen Amtsmissbrauchs gestiegen. Letztere allerdings viel weniger stark. «Jeder hat das Recht, eine Beschwerde zu machen und sie wird auch seriös angeschaut. Wenn der Polizist etwas Unkorrektes gemacht hat, muss er dafür geradestehen», sagt sie.
Diese zierlich-zähe Frau weiss, was sie will. Sie hat sich in den Männerdomänen Militär- und Feuerwehrdienst durchgebissen und durchgesetzt. Die Polizistin will eine Null-Toleranz bei Gewalt und Drohung gegen Beamte. «Warum sollte ein Polizist es sich gefallen lassen, angegriffen zu werden? Vielleicht rettet er auch noch ein Menschenleben und wird daran gehindert.»
Bundi Ryser war früher SVP-Mitglied und ist heute parteilos. Sie fordert von der Politik und namentlich von Justizministerin Sommaruga: «Eine Straftat gegen Polizisten sollte mit Gefängnis von mindestens drei Tagen bestraft werden. Wir erwarten, dass der Bundesrat damit vorwärts macht.»
Fussball-Trainerin in der Freizeit
In ihrer Freizeit ist Bundi Ryser Fussball-Junioren-Trainerin. Auch von den Club- und Verbands-Verbandsverantwortlichen fordert sie mehr Engagement. Sie sollten viel mehr und stärker gegen Fan-Gewalt vorgehen und sich viel klarer davon distanzieren. Ihre Forderungen liegen auf dem Tisch.
So schnell wird Johanna Bundi Ryser nicht lockerlassen.