In der Schweiz wurden über 8000 Menschen positiv auf das neue Coronavirus getestet. Das ist eine Herausforderung für die Bevölkerung und die Behörden – und vor allem auch für Menschen mit Behinderung. John Steggerda ist Leiter der kantonalen Geschäftsstelle Aargau-Solothurn von Pro Infirmis. Er gibt im Gespräch Einblick, was sich im Alltag von Menschen mit Behinderung ändert.
SRF News: Was bedeutet die aktuelle Lage für Menschen mit Behinderung?
John Steggerda: Viele Menschen mit Behinderung gehören zur Risikogruppe. Unterstützung und Assistenzleistungen, die für sie im Alltag notwendig sind, sind jetzt infrage gestellt. Es gibt eine grosse Verunsicherung, wie sie ihren Alltag noch gestalten und mit anderen Menschen in Kontakt treten können. Die Situation mit dem Coronavirus ist eine zusätzliche Herausforderung für sie.
Sind alle Menschen mit Behinderung gleichermassen betroffen?
Nein. Es hängt davon ab, wie viel Möglichkeiten Menschen mit Behinderung haben, selber Alternativen zu suchen und aufzubauen. Menschen mit physischen Beeinträchtigungen haben es etwas einfacher. Schwieriger wird es bei Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen.
Menschen mit einer kognitiven Beeinträchtigung brauchen zwingend Übersetzungen in einfacher Sprache.
Sie leiden vielleicht an Angst und haben Schwierigkeiten, mit Menschen in Kontakt zu treten. Diese Angst wird durch das Coronavirus noch verstärkt, so, dass sie teilweise handlungsunfähig werden. Und Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen verstehen gar nicht, worum es geht. Diese Gruppe braucht zwingend Übersetzungen in einfacher Sprache.
Was bedeutet die aktuelle Situation für Menschen mit Behinderung, die in Institutionen leben?
Die meisten Institutionen in den Kantonen Aargau und Solothurn, aber ich denke, das gilt für die ganze Schweiz, sind geschlossen. Es geht darum, die Menschen zu schützen. Innerhalb der geschlossenen Institutionen hat es aber viele Angebote und Mitarbeitende, die mit ihnen den Tag bestreiten; Spiele spielen, Bastelarbeiten machen, sodass sie möglichst keine Berührung nach aussen haben, aber eine sinnvolle Beschäftigung haben.
Man mahnt in der Gesellschaft zu Solidarität. Spüren Sie davon etwas?
Ich spüre es mehr in meinem sozialen Umfeld. Es entstehen viele Bewegungen. Das Rote Kreuz hat Fahrerinnen und Fahrer gesucht, da haben sich viele Freiwillige gemeldet. Die Spitex-Organisation im Dorf brauchte jemand für den Mahlzeitendienst und wurde fündig. So viel Solidarität zu sehen, ist eine ganz tolle Geschichte.
Das Gespräch führte Christina Scheidegger.