Timo Hürzeler (21) und Livia Riley (16) haben Glück: Sie haben eine Stelle in einem Restaurant der Organisation Blindspot in Bern. «Jetzt gerade schreibe ich Gegenstände an, später bin ich im Service», erzählt Livia bei einem Besuch.
Timo macht derweil die Theke für den Mittag bereit. Beide haben Trisomie 21, auch Down-Syndrom genannt.
Es drückt mir das Mutterherz weg.
Solche Arbeitsplätze gebe es viel zu wenige, sagt Andrea Kalsey. Ihre 9-jährige Tochter Samyeli lebt ebenfalls mit Trisomie 21. Ein aufgewecktes Kind, stets besorgt, dass es allen gut geht. Wenn sie dereinst volljährig wird, bekommt sie eine IV-Rente – dass sie arbeitet, ist nicht vorgesehen.
Doch eine blosse Beschäftigung in einer geschützten Werkstätte, abseits der Gesellschaft, kann sich Andrea Kalsey für ihre Tochter nicht vorstellen. «Sie lebt mit uns, geht zur Schule, besucht Musikunterricht. Der Gedanke, dass sie jetzt ein normales Kinderleben führt und dann mit 18 Jahren ihre Lebensweise ändern soll, drückt mir das Mutterherz weg.»
Viele Menschen mit Behinderungen leben in Wohnheimen und werden in geschützten Werkstätten beschäftigt. Für manche Familien möge das eine gute Lösung sein, sagt Andrea Kalsey. Sie wünscht sich für ihre Tochter und andere Kinder mit Behinderungen aber Wahlfreiheiten.
Auch die Freiheit, als Erwachsene zu arbeiten. Darum hat sie den Verein «Mensch 21» gegründet. Das Ziel: ein Bistro aufbauen, in dem junge Menschen mit Trisomie 21 arbeiten, mitten in der Gesellschaft.
Kleine Karte und Gäste mit Zeit
Was braucht es, damit Menschen mit Trisomie 21 in der Gastronomie gut zurechtkommen? Wichtig sei ein geordneter Ablauf, sagt Andrea Kalsey. Sie hat mit ihrem Verein Gastroanlässe organisiert, an denen Jugendliche mit Trisomie 21 kochten und servierten.
«Man muss mit ihnen vorbesprechen, wo die Gäste sitzen werden und was es für Menus gibt. Dann aber können sie die Arbeit allein verrichten.» Hilfreich sei eine beschränkte Auswahl an Menus und Getränken. Und Gäste, die Zeit haben.
Das geplante Bistro sollte darum nicht gleich neben einem Bahnhof sein. «Unsere Jugendlichen können nicht so schnell arbeiten, dass sie jemanden bedienen könnten, der auf den Zug rennt», sagt Andrea Kalsey. Noch sucht der Verein einen geeigneten Standort für das Bistro.
Andrea Kalsey möchte mit dem Bistro eine Brücke bauen in die Arbeitswelt, für junge Menschen mit Trisomie 21. Und sie möchte Brücken bauen in den Köpfen der Leute: «Für mich ist es ein Denken, dass ich nur noch Brücken sehe, Verbindungen zwischen Menschen. Dass ich interessiert bin an meinem Gegenüber und an seinem Potenzial, nicht an seinen Grenzen und Fehlern.»
Jeder Mensch kann irgendetwas gut.
Wir alle hätten unsere Schwächen und Stärken, sagt Andrea Kalsey, und alle könnten irgendetwas gut. «Das kann man irgendwie nutzen, davon bin ich überzeugt.»