Eine Mieterin bekommt die Kündigung wegen Eigenbedarfs, zieht aus und sieht kurz darauf auf einem Immobilienportal die eigene Wohnung ausgeschrieben – zu einem höheren Preis.
Laut dem Mieterinnen- und Mieterverband kommt sowas immer wieder vor. «Wir können aus dem Beratungsalltag und unserer Erfahrung an den Schlichtungsbehörden sagen, dass es Dutzende Fälle pro Jahr allein im Kanton Zürich gibt, in denen Eigenbedarf vorgeschoben wird», sagt Larissa Steiner, Co-Leiterin der Rechtsberatung des Mieterverbandes Zürich.
Der Mieterverband hat deshalb das Referendum ergriffen. Die Gegenseite sieht das naturgemäss anders, die Befürworter der Mietrechtsänderung bestreiten das Problem. Laut dem Hauseigentümerverband Schweiz ist es sehr unrealistisch, dass eine Eigentümerschaft den schwierigen Beweis des Eigenbedarfs erbringen kann, aber dann die dringlich benötigte Wohnung nicht selber nutzt.
Eigenbedarf vorgetäuscht, um Haus teurer zu verkaufen
Das Problem: Es lässt sich nicht verifizieren, ob Eigenbedarf häufig vorgetäuscht wird. Zahlen dazu gibt es nicht. Es ist eine grosse Dunkelziffer denkbar, da nicht alle Mieter die Vortäuschung bemerken oder sich wehren. Kontrollen gibt es keine, ob der Vermieter wirklich selbst einzieht oder ob er die Wohnung (teurer) an jemand Neues vermietet.
Man kann sich dem Phänomen deshalb nur annähern. So schreiben Liegenschaftsverwaltungen auf Anfrage von SRF, ihnen seien keine Fälle bekannt.
«Ich denke nicht, dass in der Schweiz Eigenbedarf oft vorgetäuscht wird, um die Wohnung teurer vermieten zu können», sagt auch die Fachanwältin für Bau- und Immobilienrecht Seraina Bazzani-Testa, die auch vier Jahre Schlichtungsvorsitzende an einem Landgericht war. Der neue Mieter habe nämlich die Möglichkeit, den Anfangsmietzins anzufechten.
Sie habe in ihrer beruflichen Laufbahn nur einen einzigen Fall erlebt, in dem ein Vermieter Eigenbedarf vorgetäuscht habe – um die Liegenschaft «mieterfrei» zu einem besseren Preis verkaufen zu können.
Es gibt Anreize, aber beschränkte
Eva Bachofner, eine der Gerichtspräsidentinnen des Zivilgerichts Basel-Stadt sowie Lehrbeauftrage für Mietrecht an der Universität Bern, hat sich die Fälle der Schlichtungsstelle und des Zivilgerichts Basel-Stadt angeschaut. Dabei zeigte sich: Nur etwa 20 Prozent aller angefochtenen Kündigungen betreffen Eigenbedarfskündigungen. «Wenn Eigenbedarf regelmässig vorgeschoben würde, müsste es mehr Anfechtungen geben», meint Bachofner.
Sie gibt auch zu bedenken, dass es keine Massenkündigungen gibt wegen Eigenbedarfs – anders als bei Sanierungen von Liegenschaften mit mehreren Wohnungen. «Eigenbedarf für eine Wohnung vorbringen können nur Menschen und keine Anlagestiftungen.» Bachofner sieht zudem wenig Anreiz für Vermieter, Eigenbedarf vorzutäuschen, weil sich damit das Verfahren kaum abkürzen lasse.
Fazit: Vermieter können zwar recht einfach Eigenbedarf vortäuschen, da es keine Kontrollen gibt, in der Praxis kommt es aber wohl trotzdem nicht massenhaft vor. Ob man allerdings Kündigungen aus Eigenbedarf lockern will in Zeiten eines angespannten Mietmarkts – das steht natürlich auf einem anderen Blatt und muss die Stimmbevölkerung entscheiden.