Für seine neue Gentherapie «AVXS-101» gegen spinale Muskelatrophie (SMA) verlangt der Basler Pharma-Konzern Novartis vier Millionen Franken. Spinale Muskelatrophie ist eine schnell voranschreitende, tödliche Muskelschwund-Krankheit. Betroffene Kinder werden oft nicht älter als zwei Jahre.
Die neue Gentherapie von Novartis soll die Lebenserwartung der Kinder um bis zu 13 Jahre steigern – mit einer einzigen Infusion. Rechtfertigt das die horrenden Kosten von bis zu vier Millionen Franken? Oder anders gefragt: Wie viel darf ein Menschenleben überhaupt kosten? Eine Medizinethikerin gibt Antworten.
Eine neue Therapie zur Behandlung von spinaler Muskelatrophie kostet vier Millionen Franken pro Behandlung. Ist dies vertretbar?
Das ist schwierig abzuschätzen, da es keine Langzeitstudien über die Wirksamkeit dieser Gentherapie gibt. Es heisst, die Spritzen bringen deutliche Verbesserungen für den Bewegungsapparat, zum Beispiel können Patienten wieder sitzen, was sie vorher nicht konnten. Aber welche Wirkung das Medikament längerfristig hat, können wir zurzeit nicht abschätzen.
Wie teuer darf ein Medikament denn sein?
Um dies zu beurteilen, müssen wir die Entstehungskosten kennen. Wie setzen sich diese hohen Kosten zusammen? Wir fordern von den Pharma-Firmen diesbezüglich Transparenz. Dann spielt auch das Kosten-Nutzen-Verhältnis eines Medikaments eine Rolle. Es gibt immer mehr teure Therapien – gerade in der Krebsmedizin. Teilweise ist unklar, was sie genau bringen. Erst wenn dies klar ist, kann entschieden werden, ob solch hohe Kosten ethisch vertretbar sind.
Teilweise ist unklar, was die teuren Therapien genau bringen.
Muss denn alles getan werden, um ein Menschenleben zu retten oder zu verlängern, egal wie viel Geld das kostet?
Geld ist stets nur begrenzt verfügbar. Gerade weil alle Menschen gleich viel wert sind, sind die stets begrenzten Mittel fair und solidarisch zu verteilen. Dazu aber braucht es transparente Regeln.
Wie viel darf ein Menschenleben das Gesundheitssystem denn kosten?
Das ist der falsche Ansatz. Es darf nicht um die Bewertung eines Menschenlebens gehen, sondern um die Bewertung eines Medikamentes. Der Wert eines Menschenlebens kann nicht bestimmt werden, der Nutzen eines Medikamentes schon. Also die Frage, in welchem Verhältnis Wirkung und Kosten stehen. Das ist entscheidend, und das kann beziffert werden.
Der Wert eines Menschenlebens kann nicht bestimmt werden, der Nutzen eines Medikamentes schon.
Teure Behandlungen treiben die Kosten im Gesundheitswesen in die Höhe. Manch einer ärgert sich deswegen, dass er dies mitfinanzieren muss.
Die Frage ist, weshalb sich jemand ärgert. Ärgert er sich über die hohen Medikamentenpreise oder weil er nicht allen Menschen eine Therapie gönnt? Bei den Medikamentenpreisen besteht derzeit klar Handlungsbedarf. Zum zweiten Punkt kann ich sagen, dass alle Menschen den gleichen Anspruch auf angemessene Behandlung und Betreuung haben. Es gilt dabei, die Ressourcen gerecht und solidarisch zu verteilen.
Das Gespräch führten Andrea Vetsch und Susanne Wille.