Die Summe ist gross, das Vergehen ebenso: Fox News muss dem Wahlmaschinenhersteller Dominion einen Schadenersatz von 787.5 Millionen Franken zahlen. Diese Einigung erfolgte aussergerichtlich, wohl deshalb, weil der US-amerikanische Sender selbst zugegeben hat, rund um die Präsidentschaftswahl 2020 systematisch gelogen zu haben.
Fox News hat also die Verleumdungsvorwürfe abgewendet, der Schaden für die Demokratie ist aber angerichtet. Und doch gilt es zu betonen: Parallelen zur Schweiz können nicht gezogen werden. Linards Udris, stellvertretender Forschungsleiter am Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög), sagt: «Was in den USA passiert, lässt sich nicht auf Verhältnisse in anderen Ländern übertragen.»
Schweizer Medien sind eingebunden in verschiedene Formen der Regulierung.
Gerade das Schweizer Mediensystem sei «relativ resilient gegenüber Desinformation und Falschinformationen», so Udris. Es gebe mehrere grosse und auch regional stark verankerte Medienhäuser, die sich an die publizistischen Standards hielten. «Schweizer Medien sind eingebunden in verschiedene Formen der Regulierung.»
Privatklagen oft sinnvoller
Diese Regulierungen kennt Raphaela Cueni. Die Professorin für Medienrecht an der Universität St. Gallen (HSG) sagt: «Es mangelt in der Schweiz nicht an Rechtsvorschriften.» Auch für Medien strafrechtlich verboten sind beispielsweise Ehrverletzungen.
Was für Medien gemäss Strafgesetzbuch verboten ist
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Im Schweizerischen Strafgesetzbuch (StGB) sind Bestimmungen festgehalten, die einerseits für Medienschaffende relevant sind, weil sie sich daran halten müssen. Andererseits sind die Gesetzesartikel für Betroffene wichtig, weil sie aus ihnen Rechtsansprüche ableiten können.
Üble Nachrede (Art. 173 StGB): Die Beschuldigung, Weiterverbreitung oder Verdächtigung eines «unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, einen Ruf zu schädigen», ist unter Umständen strafbar. So hat das Bezirksgericht Zürich im Jahr 2016 beispielsweise den «Weltwoche»-Journalisten Philipp Gut der üblen Nachrede schuldig gesprochen, weil er im Rahmen seiner Berichterstattung um die Besetzung einer Professorenstelle an der Universität Zürich seine Vorwürfe gegen den Historiker Philipp Sarasin auch vor Gericht nicht belegt hatte.
Verleumdung (Art. 174 StGB): Auch bei der Verleumdung wird ein unehrenhaftes Verhalten unterstellt. Doch im Gegensatz zur üblen Nachrede geschieht dies «wider besseren Wissen». Verleumdung wurde, basieren auf US-amerikanischem Recht, auch dem Sender Fox News vorgeworfen.
Beschimpfung (Art. 177 StGB): Wer jemand in seiner Ehre angreift – sei es durch Wort, Schrift, Bild, Gebärde oder Tätlichkeiten –, kann ebenfalls bestraft werden.
Für potenziell Geschädigte könne allerdings der Rückgriff auf das Schweizerische Zivilgesetzbuch (ZGB) und die Geltendmachung von Persönlichkeitsverletzungen sinnvoller sein. Der Grund: Bei Zivilklagen eröffnen sich mehr Möglichkeiten. «Wer privat klagt, hat die Aussicht auf eine Gegendarstellung oder Schadenersatz. Das ist im Strafrecht ausgeschlossen», so Cueni.
Beispiel einer Persönlichkeitsverletzung: der Fall Borer
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Zur geschützten Persönlichkeit zählen nicht nur Leben und Gesundheit einer Person, sondern auch das Ansehen, die Selbstbestimmung und alle wesentlichen Aspekte des Privatlebens. Es existiert also ein physischer als auch ein psychischer Schutzbereich.
Unter anderem gilt das Recht auf Privat- und Intimsphäre. Wie diese durch die Medienberichterstattung verletzt werden kann, zeigt der Fall Borer. Im März 2002 veröffentlicht der «SonntagsBlick» einen Artikel, welcher der den damaligen Schweizer Botschafter in Deutschland Thomas Borer eine aussereheliche Affäre unterstellte.
Die Geschichte drehte. Nur: Die Affäre war gar keine. Die besagte Frau sagte später unter Eid, nie mit Borer Sex gehabt zu haben. Auch habe ihr der «SonntagsBlick» 10'000 Euro als Informationshonorar bezahlt.
Aus einer juristischen Perspektive ist es allerdings irrelevant, ob Borer Ehebetrug beging. Der Diplomat hatte in dieser Konstellation das Recht, dass seine Intimsphäre respektiert wird. Selbst Uli Sigg, damaliger Ringier-Verwaltungsratspräsident, sagte: «Für die Schweiz ist die Frage, ob Botschafter Borer eine Affäre hat, nicht relevant.»
Ist ein Persönlichkeitsrecht verletzt, wie etwa das Recht am eigenen Bild, darf gleichzeitig kein Rechtfertigungsgrund vorliegen. Cueni gibt ein Beispiel: «Als die Schweizer Juso 2010 im Zusammenhang mit ihrer 1:12-Initiative unter anderem Daniel Vasella in ihrer Kampagne nackt dargestellt haben, kam das Bundesgericht zum Schluss, dass die Fotomontage gerade noch tolerierbar sei.»
Einer der Rechtfertigungsgründe: Vasella, zu jenem Zeitpunkt Verwaltungsratspräsident des Pharmakonzerns Novartis, war gemäss dem höchsten Schweizer Gericht «im Brennpunkt des öffentlichen Interesses», in das er sich durch eigene Aussagen zu Spitzenlöhnen teils selbst hineinmanövriert hatte.
Wieso der Rechtsweg teils nicht beschritten wird
Doch nicht nur an das ZGB und StGB müssen sich Schweizer Medien halten. Für Radio und Fernsehen – also auch das SRF – gilt das gesetzliche Sachlichkeitsgebot. Cueni: «Sendungen mit Informationsgehalt müssen Tatsachen und Ereignisse sachgerecht darstellen.» Auch hier offenbart sich ein Unterschied zu den USA. Dort wurde nämlich 1987 die «Fairness-Doktrin» abgeschafft – eine Vorgabe für Rundfunk, ausgewogen zu berichten.
Medienethik: Schweizer Presserat als Ergänzung
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Der Schweizer Presserat dient dem Publikum und Medienschaffenden als Beschwerdeinstanz. Gemäss eigenen Angaben wacht er «über die Einhaltung des für alle Journalisten gültigen Journalistenkodex». Verstösst eine Medienschaffende oder eine Redaktion gegen den Kodex, kommt es zu einer Rüge. Das Gremium spricht allerdings keine Sanktionen aus.
Ursina Wey ist Rechtsanwältin und Geschäftsführerin des Presserats. Sie sagt: «In Bezug auf die Fälle, die via Beschwerde vorgelegt werden, lässt sich sagen, dass die Journalistinnen und Journalisten grossmehrheitlich medienethisch korrekt arbeiten.» Diese Aussage bestätigt einen Blick auf die Zahlen. In den vergangenen drei Jahren hat der Presserat nur einen Bruchteil der Beschwerden gutgeheissen.
Im langjährigen Durchschnitt werden gemäss Wey rund ein Fünftel bis maximal ein Viertel der Beschwerden ganz oder teilweise gutgeheissen, die übrigen abgewiesen oder es wird erst gar nicht auf sie eingetreten. «Bei Beschwerden, auf die nicht eingetreten wurde, handelt es sich in der Regel um offensichtlich unbegründete Beschwerden», erklärt Wey weiter. Sie sagt allerdings auch: «Eine systematische medienethische Überprüfung, ob sich Schweizer Medien an den Journalistenkodex halten, nimmt der Presserat nicht vor.»
Also alles gut in der Schweizer Medienlandschaft? Nicht ganz. Erstens gibt es Fälle von widerrechtlicher Berichterstattung. Zweitens bedeutet die Tatsache, dass Rechtswege da sind, nicht automatisch, dass sie auch beschritten werden. «Ein Prozess kostet Geld, Zeit und Nerven. Das können sich nicht alle leisten.» Vor allem aber müsse man sich auch bewusst sein, dass man mit einem Gang vor das Gericht mehr Publizität riskiere; etwas, was vor allem bei Verletzungen der Privat- oder gar Intimsphäre unangenehm werden kann.
Fälle von Persönlichkeitsverletzungen im Journalismus
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Fairmedia, ein Verein, der gemäss eigenen Statuten «Anlaufstelle für die Betroffenen von medialen Überschreitungen» ist, berichtet in der Rubrik «Hinter der Schlagzeile» über Menschen, die von Medien «an den Pranger gestellt, vorverurteilt oder schlicht unfair behandelt wurden». Auch der Fall Borer, welcher oben als Beispiel für eine Persönlichkeitsverletzung ausgeführt wurde, ist in dieser Rubrik aufgeführt.
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