Täglich arbeiten und Ende Monat doch nicht genug zum Leben haben. In den Städten Zürich, Winterthur und Kloten soll das Problem der «Working Poor» aus der Welt geschafft werden – mit der Einführung eines Mindestlohns. Keine Arbeit für weniger als 23 Franken pro Stunde. Dies fordert ein Bündnis linker Parteien, Gewerkschaften und verschiedener Hilfswerke mit der Lancierung einer Initiative. Roman Mezzasalma, Leiter der SRF-Wirtschaftsredaktion, mit den wichtigsten Antworten zur wieder entflammten Diskussion rund um einen festgeschriebenen Mindestlohn.
Hat eine Mindestlohn-Initiative mehr Chancen in Städten als auf dem Land?
Auf dem Land war die Ablehnung der eidgenössischen Mindestlohnvorlage 2014 stärker als in den Städten. So gesehen hat ein solches Anliegen sicher mehr Chancen in städtischen Gebieten, in denen die Bevölkerung eher offen ist für linke und grüne Anliegen. Ob dieses Kalkül aufgeht, ist dennoch fraglich. Denn nicht nur die Gegner von Mindestlöhnen dürften Nein stimmen, sondern auch jener Teil des Stimmvolkes, der dagegen ist, dass je nach Gemeinde unterschiedliche Regeln gelten sollen. Also – um in der Region Zürich zu bleiben – dass in Kloten ein Mindestlohn gilt und im knapp 10 Kilometer entfernten Bülach nicht.
Die Initiaten wollen einen minimalen Stundenlohn von 23 Franken im Gesetz verankern, das entspricht einem Monatslohn von rund 4000 Franken brutto. Und das über alle Branchen hinweg. Ist es zielführend, alle Jobs über den gleichen Leist zu schlagen?
Gebräuchlich ist, Mindestlöhne in Gesamtarbeitsverträgen zu fixieren, die dann für eine Branche gelten. Werden Mindestlöhne über Branchen hinweg verordnet, birgt dies die Gefahr, dass sich auch Branchen am Mindestlohn orientieren, die eigentlich höhere Gehälter zahlen könnten. Zudem besteht das Risiko, dass in Branchen, die sich den Mindestlohn kaum leisten können, die Firmen ihre Mitarbeitenden vermehrt im Stundenlohn anstellen, damit sie ihre Budgets einhalten können.
Ein Mindestlohn soll garantieren, dass diejenigen, die arbeiten, auch von ihrem Lohn leben können. Wenn der Mindestlohn nicht die Lösung ist, welche anderen Ansätze helfen, dem Phänomen der «Working Poor» entgegenzutreten?
Hierzulande gibt es diverse Massnahmen, die bei tiefem Einkommen Erleichterung schaffen sollen. Prämienverbilligungen bei Krankenkassen, subventionierte Wohnungen, Krippenplätze, Stipendien für Leute in Ausbildung. Der Staat kann Wenigverdiener auf ihrer Ausgabenseite entlasten. Die Last wird von der Allgemeinheit getragen. Bei einem Mindestlohn würde diese von den Arbeitgebenden geschultert.
Das Gespräch führte Mario Torriani.