- Die vor Jahresfrist aufgedeckten Missstände bei den Turnerinnen im Leistungszentrum Magglingen haben Konsequenzen.
- Der Bund will künftig stärker gegen Ethikverstösse vorgehen.
- Damit sollen insbesondere minderjährige Athletinnen und Athleten besser geschützt werden.
Die am Dienstag vom Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport (VBS) publizierte Liste von Neuerungen ist lang. Darauf figuriert etwa eine zentrale, unabhängige Meldestelle für Opfer von Missständen, die bereits kurz nach Publikation der «Magglinger Protokolle» im «Magazin» von Tamedia auch im Parlament gefordert wurde.
Die neue Meldestelle «Swiss Sport Integrity (SSI)» wird gemäss Mitteilung per 1. Januar 2022 bei der bereits bestehenden unabhängigen Stiftung Antidoping Schweiz angesiedelt. Deren Zweck wird um die Behandlung potenzieller Ethikverstösse erweitert. SSI soll Meldungen unabhängig untersuchen und zuhanden der Disziplinarkommission einen Untersuchungsbericht erstellen.
Wir unterstützen den Leistungssport, aber nicht um jeden Preis.
Vor den Medien in Bern stellte Bundesrätin Viola Amherd klar: «Wir unterstützen den Leistungssport, aber nicht um jeden Preis.» Solche Vorkommnisse dürfe es in Zukunft nicht mehr geben. Matthias Remund, Direktor des Bundesamts für Sport, sekundierte: «Es schmerzt, was in Magglingen passiert ist.»
Das Bundesamt für Sport fordere nun klare ethische Leitlinien. «Alle Athletinnen und Athleten müssen sich anonym an eine unabhängige Stelle wenden dürfen.» Nur, wenn auch Swiss Olympic und die verschiedenen Verbände am gleichen Strick ziehen würden, könne die Glaubwürdigkeit des Sports wieder hergestellt werden.
Politik nimmt Sport in die Pflicht
Jürg Stahl, Präsident von Swiss Olympic, sagte: «Wir wollen Athletinnen und Athleten, die sich an Trainer erinnern, die sie gefördert haben – aber nicht überfordert. Und sie sollen sich schon gar nicht an solche erinnern, die sie misshandelt haben.»
Stahl ergänzte, dass Swiss Olympic das Massnahmenpaket vollumfänglich unterstütze. Dieses könne zwar nicht garantieren, dass es künftig keine vergleichbaren Fälle mehr geben würde. Ein klares Ethikstatut solle es aber erlauben, nicht tolerierbare Handlungen zu sanktionieren.
Für die verstärkte Umsetzung von Ethikgrundsätzen im Sport wird auch der Bund schauen. So werden Prinzipien neu auf eine rechtsverbindliche Basis gestellt, was im Fall von Verstössen Sanktionen ermöglicht. Zudem werden die Strukturen der Zusammenarbeit zwischen Behörden und privaten Verbänden verbindlicher geregelt, um insbesondere die Aufsichtsfunktion des Bundes sicherzustellen.
Heute gibt es zwar eine Ethikcharta zwischen Swiss Olympic und den verschiedenen Sportverbänden. Künftig wird die Politik die Sportverbände enger begleiten und überprüfen, ob die Charta im Alltag auch angewendet wird. Falls das nicht der Fall ist, wird der Staat intervenieren und sanktionieren.
Konkret unterbreitet das VBS dem Bundesrat eine Teilrevision der Sportförderverordnung. Sie legt unter anderem fest, welche Mindestanforderungen im Bereich sicherer und fairer Sport die Verbände erfüllen müssen, wenn sie Subventionen des Bundes beanspruchen. Die Umsetzung ist auf Anfang 2023 geplant.
Vermehrt einbezogen werden sollen laut dem Bund auch die Erziehungsberechtigten der jungen Athletinnen und Athleten. Für die Eltern von Spitzensportlerinnen und -sportlern soll bis Ende 2022 ein «Werkzeugkasten» erarbeitet werden, der eine «adäquate Karrierebegleitung» ermöglichen soll.