1002 Fälle von sexuellem Missbrauch, über 500 Beschuldigte, dies hat eine Studie kürzlich für die Schweiz zusammengetragen. Für die Berner Grossrätin Claudine Esseiva (FDP) und Ratskollegen aus allen grossen Parteien reicht es.
Sie wollen sich nicht länger vertrösten lassen und die enge Verknüpfung zwischen dem Kanton Bern und seinen Landeskirchen gesetzgeberisch lösen.
Wenn ein Lehrer, eine Lehrerin sich im Kanton auf eine Stelle bewirbt, müssen die Bewerbenden einen Strafregisterauszug vorlegen: «Bern hat damit gute Erfahrungen gemacht und den Missbrauch effektiv eingedämmt», sagt Claudine Esseiva. Sie fordert, dass die gleiche Regelung künftig auch für Priester gilt.
Priesteramtskandidat unterstützt Prüfungskommission
In der Pfarrei St. Maria in Thun absolviert Amal Vithayathil die zweijährige Berufseinführung zum Priester. Der 29-Jährige hat ein Theologiestudium abgeschlossen, 2024 steht die Weihe zum Priester an.
In seiner Ausbildung habe er viele Seminare zum Thema Missbrauch und Prävention gehabt und seiner Bewerbung beim Bistum Basel habe er auch einen Strafregisterauszug beilegen müssen.
Trotzdem unterstützt er die Idee einer kirchenunabhängigen Prüfungskommission: «Eine unabhängige und unvoreingenommene Kommission kann das besser beleuchten.»
Kirchgemeinde gegen schärfere Massnahmen
«Für die Kirchgemeinde Langenthal wäre dies ein Rückschritt», sagt Kirchgemeindepräsident Philippe Groux. Nur vier von 40 Stellen würden in der Kirchgemeinde Oberaargau von Priester bekleidet, Missbrauch könne potenziell aber von allen Mitarbeitenden begangen werde: «Es ist deshalb wenig sinnvoll, sich nur auf die Priester zu konzentrieren».
Seine Kirchgemeinde habe und lebe bereits heute eine Kultur zur Verhinderung von Missbrauch, welche alle Mitarbeitenden umfasse. So müsse beispielsweise auch die Religionslehrerin bei ihrer Einstellung der kircheninternen Personalkommission einen Strafregisterauszug vorlegen.
Das Bistum erkennt keinen Sinn
Auch das Bistum Basel hält wenig von einer unabhängigen Durchleuchtung der Kandidaten auf Priesterstellen im Kanton Bern. Die Überprüfung von Stellenbewerber sei ohnehin in den vergangenen Jahren intensiviert worden.
Stellenbewerber seien unter anderem verpflichtet, einen Strafregister- und einen Sonderprivatauszug beim Bistum einzureichen: «Im Moment sehen wir nicht, was eine unabhängige Kommission des Kantons Bern noch zusätzlich tun könnte», schreibt das Bistum.
Grossrätin Claudine Esseiva nervt diese Uneinsichtigkeit gewaltig, wie sie selber sagt. Bereits vor 20 Jahren habe die römisch-katholische Kirche versichert, man wolle kirchenintern besser hinschauen.
Auch vor 10 Jahren habe die Kirche dasselbe gelobt und jetzt wieder: «Wir wollen endlich konkrete Handlungen sehen». Der Staat sei deshalb verpflichtet, die Initiative zu übernehme und konkrete Präventionsmassnahmen im Berner Kirchengesetz festzuschreiben, findet Esseiva.