Die Vorfälle bei den Olympischen Spielen hätten aufgeschreckt, sagt Damian Müller, Präsident des Schweizerischen Verbandes für Pferdesport: «Die Bilder sind inakzeptabel, insbesondere im Fünfkampf, wo die deutsche Reiterin und ihre Trainerin zu indiskutablen Massnahmen gegriffen haben.» In der Schweiz aber gelte die Nulltoleranz an Pferdesportanlässen, so der Luzerner FDP-Ständerat.
In Tokio seien tatsächlich Fehler passiert, sagt auch Sandra Schaefler vom Schweizerischen Tierschutz (STS): «Die Bilder zeigten eindeutig, dass gewisse Pferde gelitten haben. Eines der Pferde blutete auch aus der Nase.»
Die Bilder zeigten eindeutig, dass gewisse Pferde gelitten haben.
Zwar hätten heute weniger Leute einen Bezug zum Pferd, aber jene mit Pferd hätten häufig eine enge emotionale Bindung. Mit der Abschaffung der Kavallerie sei das Pferd vom Nutztier eher zu einem Haustier umfunktioniert worden: «Das bedeutet auch einen anderen Umgang mit dem Pferd.»
Genau diesen Umgang hat sich der Tierschutz in den letzten sechs Jahren immer wieder angeschaut. Vieles habe sich verbessert, so in den Disziplinen Dressur und Springen, so Schaefler. Bei Dressur-Turnieren sei jetzt immer eine Person auf dem Platz, die das Tierwohl im Auge habe.
Brevet auch für Polo-Spieler?
Allerdings gibt es laut einem neuen STS-Bericht immer noch Disziplinen mit tierschutzrelevanten Vorkommnissen, etwa beim Polo-Sport, wie Schaefler sagt: «Die Pferde sind mit sehr hohem Tempo unterwegs, mit schnellen Richtungswechseln und Stopps. Die Reiter reissen förmlich an den Mäulern der Pferde herum.» Auch seien «teilweise keine guten und ausgebildeten Reiter» im Sattel. Eine Lizenz sei nicht Pflicht, was inakzeptabel sei.
Wir haben festgestellt, dass es teilweise keine guten und ausgebildeten Reiter sind. Eine Lizenz ist nicht Pflicht, was aus Sicht des STS inakzeptabel ist.
Polo-Verband weist Kritik zurück
Die Swiss Polo Association schreibt dazu auf Anfrage, die Spieler würden bei ihren Clubs ausgebildet und seien nur bei gefordertem Können an Turnieren zugelassen. Der Verband verweist auf die bestehende Ausbildungsplattform für Reiter und Instruktoren. Das Wohlbefinden des Pferdes sei essenziell, denn ein gestresstes oder verletztes Tier könne nicht Polo spielen.
Schnell rennen und rasche Richtungswechsel lägen zugleich in der Natur des Pferdes, sowohl beim Spielen wie angesichts von Raubtieren. Die Zahl der Verletzungen beim Polo sei extrem niedrig, dank richtigem Training und der langen Pausen bei nur halbjähriger Spielzeit.
Das Wohlbefinden des Polo-Pferdes ist essenziell, denn ein gestresstes oder verletztes Tier kann nicht spielen.
Müller betont, die Swiss Polo Association habe eigene Reglemente, aber der Pferdesportverband sei offen für eine Diskussion über ein Brevet auch für Polo-Spieler.
Der Pferdesportverband habe regelmässig Kontakt zu anderen Verbänden und dem Tierschutz, so Müller. Momentan sei das Körpergewicht der Reitenden ein wichtiges Thema – sowohl im Amateursport wie auch bei der Freizeit-Reiterei: Damit nicht zu schwere Personen auf den Pferden sitzen.
Der Pferdesport muss sich mit dem Thema Tierschutz auseinandersetzen, damit er gesellschaftsfähig bleiben kann.
Der Pferdesport müsse sich mit dem Thema Tierschutz auseinandersetzen, um gesellschaftsfähig zu bleiben, ist auch SRF-Pferdesportexpertin Michèle Schönbächler überzeugt: «Die Gesellschaft hat sich verändert. Bei Verstössen gegen das Tierwohl wird die Rechtfertigung dieser Sportart schwierig.»
Die Tierschutzdiskussion ist also definitiv im Pferdesport angekommen – an Olympischen Spielen und auch auf den Reitplätzen in der Schweiz. Auch die Politik wurde aufmerksam. Bereits gab es Vorstösse von grüner Seite, die gewisse Hilfsmittel im Pferdesport verbieten wollten, etwa Nasenbügel aus Metall oder Zungenstrecker. Damit wird sich das Parlament also noch befassen müssen.