Das Wichtigste in Kürze
- Es ist der wahr gewordene Albtraum eines jeden Autofahrers: Das Auto beschleunigt ohne eigenes Zutun auf 150 km/h und lässt sich nicht mehr stoppen.
- Die Fahrt endet mit einem schlimmen Unfall. Mit viel Glück überlebt der Fahrer ohne schwere Verletzung.
- Die Justiz ermittelt und kommt zum Schluss: Den Fahrer trifft keine Schuld am Unfall. Doch auch der Autohersteller Toyota weist gegenüber «Kassensturz» jede Haftung von sich. Es liege kein technisches Versagen vor.
In Oberwil am Zugersee enden die schlimmsten zwanzig Minuten im Leben von Willy B.: «Ich hatte Todesangst. Ich wusste nicht, was auf mich zu kommt. Ich rechnete mit dem Schlimmsten», erinnert sich B. an die letzten Sekunden vor dem Aufprall.
Der Albtraum beginnt frühmorgens auf der Autobahn zwischen Luzern und Zug. «Plötzlich merkte ich, das Auto gibt Gas ohne mein Dazutun. Ich nahm den Fuss vom Gas und das Auto beschleunigte genau gleich weiter.» Willy B. muss bremsen bis Funken sprühen.
Ich hatte viele Schutzengel.
Das beobachtet auch eine Feuerwehr-Einheit, die zur gleichen Zeit auf der Autobahn unterwegs ist. Willy B. lässt die Scheibe herunter. Die Feuerwehrleute versuchen zu helfen, geben Tipps während der Fahrt. Doch Willy B. schafft es nicht, das Auto zum Stoppen zu bringen. Dann fallen die Bremsen ganz aus.
Mit Tempo 100 durch Zug
Mittlerweile hat Willy B. die Autobahn verlassen und rast mit Tempo 100 durch die Stadt Zug. «Ich fuhr nur noch gerade aus und versuchte das Auto so lange unter Kontrolle zu haben wie es ging.» Bis es knallt.
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Das Auto überschlägt sich und landet wieder auf der Strasse. Willy B. hat Glück im Unglück: «Ich kam wieder zu mir, erwachte und bemerkte aufsteigenden Rauch aus dem Motor. Ich stieg aus und sass hier ab. Ich hatte viele Schutzengel.»
Fahrer trifft kein Verschulden
Kurz nach dem Horror-Unfall ermittelt die Staatsanwaltschaft Zug. Willy B. hat während seiner Fahrt das Gesetz grob verletzt. Doch trägt er die Schuld daran? Ein Jahr nach dem Unfall kommt die Justiz zum Schluss: Die Strafuntersuchung wird eingestellt. Willy B. trifft kein Verschulden.
Könnte der Unfall eine technische Ursache haben? Kurz vor dem Unfall war Willy B. mit seinem Auto mehrmals in der Werkstatt. «Ich hatte vor dem Unfall ein Problem mit der Türöffnung und dem Start-Stopp-Knopf.» An diese Werkstatt-Besuche kann sich die Garage auf Nachfrage von «Kassensturz» nicht mehr erinnern.
Die Fakten der neutralen Expertise lassen im Moment keinen Spielraum für die finanzielle Entschädigung zu.
An einem anderen Werkstatt-Besuch besteht jedoch kein Zweifel: B.'s Auto war vor einigen Jahren im Rahmen eines der grössten Auto-Rückrufe der Geschichte in der Toyota-Garage. Ursprung waren Fälle von Selbstbeschleunigung und defekten Bremsen in den USA. Mehrere schlimme Unfälle führten dazu, dass Toyota weltweit 12 Millionen Autos in die Werkstatt zurückrufen musste. Der Toyota-Konzernchef entschuldigte sich vor dem US-Kongress für Unfälle von Fahrern.
Toyota bestreitet technische Ursache
Hannes Gautschi, Direktor After Sales bei Toyota Schweiz, sagt, er bedauere den Unfall von Willy B. Mit dem Rückruf vor einigen Jahren habe dieser aber nichts zu tun: «Der Rückruf war eine reine Sicherheitsmassnahme.» Und weiter: «Das System wurde immer als sicher und zuverlässig deklariert. Es ging darum Interferenzen unter anderem mit Bodenteppichen zu verhindern.»
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Grundsätzlich habe aber bei jedem Auto das Bremssystem die stärkere Leistung als der Motor: «Wenn ein Fahrer voll auf die Bremse steht, kommt das Fahrzeug zum Stillstand, selbst wenn er gleichzeitig auf dem Gas ist.» Später konnte er wegen eines kompletten Bremsversagens überhaupt nicht mehr bremsen.
Die Frage nach der Fussmatte
Toyota verweist weiter auf das technische Gutachten, das die Staatsanwaltschaft durchführen liess. Gemäss dem Gutachten könnte die Fussmatte von Willy B. das Gaspedal blockiert haben oder sich zwischen Bremse und Gaspedal verklemmt haben.
Doch auch dieser Unfallhergang lässt sich gemäss Staatsanwaltschaft nicht nachweisen. Willy B. hatte die Matte schon mehrere Winter im Auto, und stellte nie ein Problem fest. Zu Toyotas Aussagen, eine Bremse sei immer stärker als der Motor sagt B.: «Bei meinem Auto war ja das Problem, dass es immer wieder beschleunigte. Ich hatte 150 km/h drauf. Auf der Autobahn eine Vollbremsung zu machen, das riskiert wahrscheinlich niemand.»
Keine Entschädigung von Toyota
Auch finanziell nimmt sich Toyota nach dem Unfall aus der Verantwortung. Hannes Gautschi betont, Toyota habe das Auto nicht selber untersucht und man kenne womöglich nicht alle Fakten, aber: «Die Fakten der neutralen Expertise lassen im Moment keinen Spielraum für die finanzielle Entschädigung zu.»
Willy B. sagt über ein Jahr nach seinem Horror-Crash, dass Opfer eines solchen Unfalls aufpassen müssten, nicht selbst zum Täter gemacht zu werden. Er hofft, dass man seinen Fall ernst nehme: «Ich hoffe, dass keine weiteren dieser Unfälle passieren. Für den Fahrer ist es schrecklich.»
Die Staatsanwaltschaft sagt den Fahrer treffe keine Schuld. Die Garage und der Autohersteller weisen die Schuld ebenfalls von sich. Wer haftet in einem solchen Fall. Professor Dr. iur. Frédéric Krauskopf nimmt in der Sendung «Kassensturz» live Stellung dazu.