Lange war es still um den grössten Hotelturm der Schweiz. Ende September musste das Swissôtel schliessen, es war eines der ersten, grossen Hotel-Opfer der Corona-Pandemie in Zürich. Doch: Jetzt ist wieder Leben ins Wahrzeichen neben dem Bahnhof Oerlikon eingezogen. Aus dem ehemaligen Swissôtel wird die vermutlich grösste Wohngemeinschaft der Schweiz.
Rund 75 Mieterinnen und Mieter sind bislang ins 85 Meter hohe Hotelgebäude eingezogen, bis im April sollen rund 170 von 250 Hotelzimmer vermietet sein. Kostenpunkt: 790 Franken im Monat, Studenten zahlen 390 Franken. Die restlichen Zimmer werden zum Self-Check-in-Hotel, eine Hotelnacht soll mit 50 bis 100 Franken zu Buche schlagen.
Vom Swissôtel zum Nôtel
Hinter dieser Zwischennutzung steckt das Zürcher Start-up Novac-Solutions GmbH von Alexandros Tyropolis. Die Credit Suisse hatte ihn erst im Dezember angefragt, ob er von Februar bis Ende 2021 eine Zwischennutzung für das Gebäude organisieren könne. In der Folge soll das Gebäude umgebaut und saniert werden, sodass in rund zwei Jahren Hotelzimmer und Wohnungen im Oerliker Hochhaus zur Verfügung stehen. Tyropolis zögerte nicht, obwohl er zugibt: «Auch wir mussten zuerst einmal rechnen. Lohnt es sich für uns, das Projekt durchzuführen? Und lohnt es sich für die Eigentümerschaft?»
Die Voraussetzungen, um das Projekt zwischennutzen zu können, waren im ehemaligen Swissôtel aussichtsreich. Das Gebäude stand leer, der Bedarf an Wohnraum war gegeben, die Lage am Bahnhof Oerlikon optimal. So ist eine markttaugliche Lösung entstanden: Das Unternehmen Novac-Solutions verdient Geld, die Eigentümerin Credit Suisse hat keinen teuren Leerstand, die Kundinnen und Kunden profitieren von günstigen Mieten.
48 Stunden nach der Bewerbung eingezogen
Der Preis war für Samuel Scheidegger auch ein Argument, um in den ehemaligen Hotelturm einzuziehen. Der 19-Jährige macht derzeit eine Lehre als Mediamatiker und sagt: «Man kann hier einfach zur Türe hinausgehen und trifft neue Leute. Das ist schon sehr cool.» Drei seiner Kollegen werden ihm in den nächsten Tagen folgen und ebenfalls ins ehemalige Swissôtel ziehen.
Samuels Zimmer im 18. Stock bietet alles, was er braucht. Es gibt eine kleine Garderobe, ein Bad, ein Pult und ein grosses Bett. Eine Küche gibt es nicht. Und gewaschen wird in der gemeinsamen Waschküche, einem Ort der Begegnung, sagt Scheidegger. Am wichtigsten sei ihm aber die Aussicht. «Man kann viele Dinge beobachten. Man sieht den Bahnhof, die Leute, man sieht alle Flugzeuge, die in Kloten starten, man sieht den Jabee-Tower in Dübendorf, man sieht über Fällanden bis zu den Bergen.» Sein Ziel sei es, bis Ende Jahr hier wohnen zu bleiben und dann zu schauen, wie es weitergeht.
Leerstände sozial und wirtschaftlich nutzen
Für Alexandros Tyropolis ist die Zwischennutzung des ehemaligen Swissôtels in Zürich-Oerlikon ein Leuchtturm-Projekt. Aber für seine Firma Novac-Solutions nur ein Anfang. «In der Schweiz gibt es über 80'000 leere Wohnungseinheiten», sagt er. «Und unsere Firma will diese Leerstände sowohl sozial wie auch wirtschaftlich sinnvoll an den Markt bringen.» Derzeit werden in der Schweiz über 250 Wohnungen über die Firma Novac-Solutions zwischengenutzt. Und – so Tyropolis – nach oben sei alles offen.