Mitte Januar 2021. Der Schnee legt den ÖV in der Stadt Zürich lahm, entschleunigt den Verkehr. Und wir? Wir wollen genau dort Trüffeln suchen. Aber: Geht das überhaupt, Trüffeln erschnüffeln bei Schnee? Thierry Garzotto ist davon überzeugt. Der Architekt hat sein Hobby zum Beruf gemacht und ist mittlerweile professioneller Trüffelsucher.
An diesem Tag hat er eine kleine Schaufel dabei – und seine wichtigste Hilfe im Schlepptau: Emma, seine Trüffelhündin, die offensichtlich kaum mehr warten kann, bis es losgeht. Sie winselt und schaut gespannt in Richtung Schneemassen. Ob sie schon eine Trüffel gerochen hat?
Für die Nase von Emma sei der Schnee kein grosses Hindernis. «Die Verhältnisse sind heute zwar extrem, aber ich denke, wir finden etwas», so Garzotto. Würden sie keine Trüffeln finden, läge das eher an ihm, ist er überzeugt. Die dicke Schneeschicht erschwere die Suche nach den kleinen braun-schwarzen Knollen vor allem für den Menschen.
Wir machen uns also auf Richtung Hardturm-Areal, das auf einer Seite von einer Tramlinie, auf einer anderen von der Autobahn gesäumt ist. Gerade deshalb sei das Areal für Trüffeln ideal. «Trüffeln wachsen dort, wo der Boden vibriert», so Garzotto. Grün Stadt Zürich verwende zudem keine Pestizide und im urbanen Raum sei es wärmer als auf dem Land. Alles Faktoren, die das Trüffel-Wachstum begünstigten. Man finde die Edelpilze auch rund um Tiefgaragen, da sie von der Abwärme profitieren.
Für Garzotto Arbeit, für Emma Vergnügen
Und schon geht es los. «Suech s Trüffeli», sagt Garzotto – das Kommando für Emma, ihre Schnauze tief in den Schnee zu stecken und loszuschnüffeln. Garzotto hat sie dabei immer an der Leine. Denn wenn Emma den Edelpilz vor ihm ausbuddeln kann, frisst sie ihn meist weg. Eine kostspielige Sache. «Einmal hat Emma an einem Nachmittag Trüffeln für 600 Franken gefressen», erzählt Garzotto.
Doch wie findet Emma die Pilze überhaupt und wie bringt er sie dazu, den genauen Standort anzugeben? Thierry Garzotto zeigt es vor. Er hält eine Trüffel an Emmas Kopf, sagt «Trüffeli» – und sobald Emma die Trüffel berührt, kriegt sie eine Belohnung. «Wichtig ist, dass die Belohnung für Emma schmackhafter ist als die Trüffel selbst», sagt er. Heute gibt es als Tausch für die Trüffel ein Stück Gurke. Die hat sie zum Fressen gern.
Das Trüffelsuchen ist für Thierry Garzotto mittlerweile seine Arbeit. Für Emma müsse es aber ein Spiel bleiben. Ihre Hunderasse, Lagotto-Romagnolo, gelte für das Trüffelsuchen als besonders geeignet, da sie sehr anhänglich sei. «Emma will, dass es mir gut geht – dann geht es auch ihr gut», so Garzotto. Die Trüffeln sucht sie also vor allem ihm zuliebe – allerdings nur, wenn sie Lust dazu hat.
Darum gehört zum Trüffelsuchen auch sehr viel Lob. Sobald Emma eine Trüffel anzeigt, indem sie mit ihren Pfoten an einer Stelle scharrt, folgt ein «gut gemacht» von Garzotto. Auch wenn wir vorerst beim Graben keine Trüffel entdecken. «Emma irrt sich nie», ist sich Garzotto sicher. Wo sie anzeigt, da liegt auch eine Trüffel. Doch diesen unter der weissen Pracht zu finden, stellt sich als schwierig heraus. «Man sucht quasi nach einem Dreckkügelchen im Dreck», so Garzotto. Das Loch macht er wieder zu, damit weitere Trüffeln nachwachsen können.
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Bild 1 von 8. In urbaner Umgebung machen sich Thierry Garzotto und seine Hündin Emma in Begleitung von SRF-Moderatorin Bigna Silberschmidt auf die Suche nach Trüffeln. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 8. Behind the Scenes: Auch der Kameramann Adrian Baumann legte sich für den Beitrag ins Zeug – beziehungsweise in den Schnee. Bildquelle: SRF.
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Bild 3 von 8. Grosse Anspannung beim ersten Mal graben: Finden wir schon unsere erste Trüffel? Bildquelle: SRF.
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Bild 4 von 8. Die nahegelegen Tramschienen halten den Boden durch ihre Vibrationen locker. Das gefällt den Trüffeln. Bildquelle: SRF.
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Bild 5 von 8. Emma’s Nase ist so gut, dass sie die Edelpilze trotz Schnee riechen kann. Bildquelle: SRF.
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Bild 6 von 8. Von aussen sehen diese beiden Trüffeln sehr ähnlich aus. Bildquelle: SRF.
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Bild 7 von 8. Erst im Innern zeigt sich der grosse Unterschied: Die linke mit dem schwarzen Innern ist eine Wintertrüffel, die hellere rechte eine Herbsttrüffel. Bildquelle: SRF.
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Bild 8 von 8. Die Ausbeute heute reicht nur für ein Znacht. Dafür hatte Emma viel Spass im Schnee. Bildquelle: SRF.
Spätes Glück beim Haselnussbaum
Die schwierigen Verhältnisse werden mit der Zeit spürbar. «Das Schnüffeln ist für Emma sehr anstrengend, es beansprucht etwa 60 Prozent ihres Gehirns», erklärt Garzotto. Der Schnee macht Emma zusätzlich die Beine und damit das Leben schwer. Mit ihrem Maul versucht sie sich die Schneezotteln abzuknabbern, die Trüffeln sind nicht mehr interessant, nicht einmal mehr das Spielen im Schnee.
An einen letzten Standort führt uns Thierry Garzotto aber noch. Es geht über die Tramschienen am verschneiten Sportplatz vorbei. Unter dem angepeilten Haselnussbaum ist die Schneedecke nicht so hoch. Ein letztes Mal schickt Garzotto seine Emma los: «Suech sTrüffeli, suech.» Und siehe da: Emma zeigt an – und als Garzotto die Schaufel ansetzt, kommt ein kleiner schwarzer Knollen zum Vorschein: Eine Wintertrüffel. Das passiert nicht ein-, sondern sogar gleich zweimal.
Nach drei Stunden Suchen und zwei gefundenen Trüffeln fällt die Bilanz ein wenig mager aus. Denn die beiden haben in der gleichen Zeit auch schon 1.7 Kilogramm Trüffeln gesammelt. «Für ein tolles Znacht reicht es», sagt Garzotto trocken. Aber eines darf dennoch nicht fehlen: Das Lob für die Hündin. «Gut gemacht, Emma!»