- Beim Shutdown Mitte März zeigte sich klar, dass viele Menschen tatsächlich zu Hause blieben. Der öffentliche Verkehr und das Auto wurden viel weniger genutzt, das Velo erlebte einen wahren Höhenflug.
- Jetzt sind die Ansteckungszahlen wesentlich höher als im März – doch die Mobilität der Schweizer Bevölkerung scheint laut neusten Zahlen ungebrochen.
- Eine Studie stellt nun auch Unterschiede in der Mobilität zwischen Mann und Frau sowie im benutzten Verkehrsmittel fest.
Mit jedem Kontakt steigt das Infektionsrisiko. Diese Situation verschärft sich, wenn die Menschen mehr in Bewegung sind. Sie sind auf dem Weg zur Arbeit, zur Schule, zum Einkaufen und bewegen sich in ihrer Freizeit.
Doch die aktuellen Zahlen des MOBIS-COVID-19-Mobility Reports der ETH Zürich und der Universität Basel zeigen, dass die Schweizer Bevölkerung zurzeit rege unterwegs ist.
Lag die durchschnittliche Tagesdistanz vor dem Shutdown bei Männern bei rund 40 Kilometern täglich und bei Frauen bei rund 30, sank sie in der zweiten Märzhälfte auf rund 20 beziehungsweise 15 Kilometer. Aktuell sind es wieder rund 45 Kilometer beziehungsweise rund 35 Kilometer täglich.
Die Zahlen erhebt die ETH Zürich zusammen mit der Universität Basel aufgrund der Analyse von Handydaten. Man sehe sehr gut, wie das Coronavirus auf die Mobilität der Bevölkerung Einfluss habe, erklärt Kay Axhausen, Professor für Verkehrsplanung an der ETH Zürich. Vor allem im Frühling und danach die Erholung nach dem Shutdown seien sehr gut sichtbar. «Und jetzt sieht man den Aufschwung in den letzten Tagen, vielleicht auch in Erwartung der Ankündigungen der Beschlüsse des Bundesrates von morgen.»
Männer sind länger unterwegs
Die Unterschiede in der Mobilität zwischen Mann und Frau erklärt sich Axhausen darin, dass in der Regel Männer entfernt liegende Arbeitsplätze mit dem gegebenem Pendlerweg haben. «Damit sind Männer entsprechend länger unterwegs.»
Die Forscher der ETH haben auch erhoben, wie sich die Nutzung der Verkehrsmittel durch Corona verändert hat.
Ausgehend von den Zahlen vor dem Shutdown im März sind sämtliche Verkehrsmittel weniger genutzt worden, das Auto rund 50 Prozent, Bahn und Bus teilweise um bis zu 80 oder 90 Prozent weniger. Nur das Velo wurde zeitweise um 200 Prozent mehr genutzt. Jetzt sind die Verkehrsmittel wieder fast beim Normalzustand vor Corona – nur Tram und Bahn noch nicht.
Auf der Suche nach dem Gleichgewicht
Die Mobilität zeigt aktuell keine Einbussen, obwohl die Infektionszahlen sich in Rekordhöhen bewegen. Wie erklärt sich Sozialpsychologe Johannes Ullrich von der Universität Zürich dieses Verhalten? Die Menschen würden sich, was ihr Bedürfnis an Sozialkontakten und auch an Mobilität anginge, an einem Gleichgewicht orientieren, erklärt Ullrich. «Wenn man antizipiert, dass möglicherweise bald ein zweiter Shutdown kommt, dann versuchen sie viele Dinge jetzt noch zu erledigen, um das Gesamtgleichgewicht zu erhalten.»
Die Schweiz bleibt in Bewegung, einen erneuten Shutdown wollen die Behörden jedoch vermeiden.