Schweiz - Mobility Pricing: Das sagen die Interessenvertreter
Der Bundesrat möchte den Verkehr besser lenken. Zu Stosszeiten mit dem Auto oder im ÖV unterwegs ist, soll mehr dafür zahlen. Die Reaktionen fallen gemischt aus.
Sara Stalder, Stiftung für Konsumentenschutz (SKS)
Die Attraktivität des ÖV ist gefährdet, wenn Bahnfahrer zu Spitzenzeiten mehr zahlen müssen. Pendler können nicht ausweichen, weil sie zu fixen Zeiten am Arbeitsplatz sein müssen. Arbeitgeber müssten daher gleichzeitig auch flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Möglichkeiten schaffen. Da umweltfreundliches Verhalten gefördert werden muss, sieht die SKS bei der Abgabe bei den Strassen kein Hindernis. Zudem sollten die eigentlichen Nutzniesser der Infrastruktur, die Arbeitgeber, ebenfalls an den ÖV zahlen. In Frankreich wird dies schon umgesetzt. Dort zahlen Betriebe mit mehr als neun Beschäftigten eine Abgabe auf der Lohnsumme.
André Kirchhofer, Astag
Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband Astag spricht sich gegen eine grundlegende Änderung des Finanzierungssystems im Verkehr aus. Mobility Pricing ist der falsche Ansatz zur Lösung der stetig steigenden Stauproblematik auf den Schweizer Strassen. Stattdessen muss die dringend nötige Modernisierung des Strassennetzes inklusive Engpassbeseitigung beschleunigt angegangen werden. Astag lehnt einen Pilotversuch mit Mobility Pricing strikt ab.
Evi Allemann, Verkehrs-Club der Schweiz (VCS)
Der VCS begrüsst das Vorgehen des Bundes. Solch grosse Systemwechsel bieten stets Chancen und Risiken. Da sind Pilotversuche genau das Richtige, um Erfahrungen zu sammeln und neue Pricing-Modelle zu erproben. Allerdings wünscht sich der VCS ein breiteres Massnahmenpaket. Etwa im Bereich der Raumplanung und bei den Arbeitgebern, die den Arbeitnehmern vermehrt andere Arbeitsmodelle zur Verfügung stellen müssten.
Kurt Schreiber, Pro Bahn
Pro Bahn hält vom Vorschlag des Bundesrates wenig bis gar nichts. Damit werden Pendler bestraft, die zu einem bestimmten Zeitpunkt unterwegs sein müssen. Die Bahn-Pendler verhalten sich umweltbewusster als die Autofahrer und nehmen wesentlich längere Reisezeiten auf sich. Nun sollen die Bahnpendler mit Zuschlägen bestraft werden. Das ist widersinnig. Der gleiche Widersinn findet auch auf der Strasse statt. Wie will das der Bundesrat auf der Strasse überhaupt bewerkstelligen? Wie ist es zudem zu begründen, dass ein Pendler, der im Stau steht, dafür einen Zuschlag zahlen soll?
Patrick Hofstetter, WWF Schweiz
Der WWF begrüsst zwar das Mobility Pricing, lehnt jedoch die Umsetzungsvorschläge des Bundesrates ab. Die Umweltverträglichkeit einer Autobahn wird nicht besser, wenn sie 24 Stunden pro Tag ausgelastet ist. Umgekehrt wird die zunehmende Elektrifizierung des Verkehrs und die Abnahme des Benzin- und Dieselverbrauchs zu einer Finanzierungslücke (Treibstoffabgabe) für die Verkehrsinfrastruktur führen. Für den WWF ist Mobility Pricing eine Möglichkeit das bewährte System der LSVA auf alle Verkehrsteilnehmer auszudehnen. Jeder Kilometer zusätzlich soll auch zusätzlich bezahlt werden. Das ist verursachergerecht und gibt optimale Anreize, Mobilität intelligent zu nutzen. Dass zu Zeiten der Verkehrsüberlastung diese Kilometer-Abgabe höher liegen soll, ist unbestritten. Das System aber alleine darauf auszurichten, erachtet der WWF als falsch.
David Venetz, Touring Club der Schweiz (TCS)
Der TCS begrüsst, dass der Bundesrat zuerst Abklärungen durchführen will. Gegenüber lokalen bzw. regionalen Pilotversuchen ist der TCS jedoch skeptisch. Insbesondere, wenn es darum geht, den Verkehr zu lenken und gleichzeitig über das Gesamte die Einnahmen nicht erhöhen zu wollen. Solange die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verlangen, dass alle Mitarbeiter zwischen 8 und 9 Uhr am Arbeitsplatz sind, wird Mobility Pricing für viele zu einer Strafsteuer mit hohem Potenzial zu sozialer Ungerechtigkeit.
Oliver Dischoe, SBB
Die SBB begrüsst die Auslegeordnung des Uvec zu Mobility Pricing als längerfristig denkbare Option. Die SBB verfolgt zusammen mit der ganzen öV-Branche noch andere, rascher umsetzbare Massnahmen (wie z.B. Sparbillette, Work Smart Initiative), um die Spitzenbelastungen zu den Hauptverkehrszeiten zu dämpfen bzw. die Auslastung in den Nebenverkehrszeiten zu erhöhen. Bei Mobility Pricing sind viele Punkte noch offen. Wichtig ist aus Sicht der SBB u.a., dass Mobility Pricinng verkehrsträgerübergreifend einzuführen wäre, um Verlagerungen auf die Strasse zu vermeiden, und dass der Zugang zur Bahn für die Kunden weiter einfach bleiben muss. Ausserdem müssen die Tarife so ausgestaltet sein, dass Mobilität weiterhin für alle erschwinglich bleibt.
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