Rund 30'000 Firmen erhalten in diesen Tagen ungewöhnliche Post aus Bern: In einem Brief fordert der Bund Firmen mit einem hohen Stromverbrauch auf, sich auf eine mögliche Kontingentierung des Stroms vorzubereiten. Die Unternehmen müssten sich Überlegungen machen, wie man rund 20 bis 30 Prozent des Stromverbrauchs einsparen könnte. Grund ist ein möglicher Strommangel, der in der Schweiz und Europa ab dem Jahr 2025 im Winter droht.
Strommangel in der Schweiz – ist dies nicht utopisch? Nein, findet auch Tobias Andrist, CEO des Baselbieter Energieversorgers EBL. «Ein solches Szenario muss man ernst nehmen und sich darauf vorbereiten.» Wichtig sei, dass man sich jetzt schon darauf einstellt und nicht, wenn es zu spät ist.
Aufgerufen, sich auf einen möglichen Strommangel einzustellen und Sparszenarien auszuarbeiten, sind konkret Unternehmen mit einem Stromverbrauch von über hundert Megawattstunden pro Jahr. In der Region Basel trifft dies unter anderem auf die grossen ÖV-Unternehmen wie die Basler Verkehrsbetriebe BVB oder die Baselland Transport AG BLT zu.
Dort nimmt man die Situation ernst und überlegt sich bereits heute, wie man im Notfall den Stromverbrauch reduzieren könnte. «Eine Möglichkeit ist eine Taktverdünnung», sagt BVB-Sprecherin Sonja Körkel. So könnten die Trams auf dem Basler Netz statt in einem Siebeneinhalbminuten-Takt nur jede Viertelstunde verkehren. Auch der CEO der BLT, Andreas Büttiker, nennt diese Möglichkeit. Eine weitere grosse Einsparung könnte das Abstellen der Heizung in den Trams bringen: «Ungefähr 30 Prozent des Stromverbrauchs im Winter ist auf die Heizung zurückzuführen.»
Kleinere Bierauswahl?
Nicht nur im ÖV, sondern auch bei produzierenden Unternehmen hätte ein Strommangel gravierende Auswirkungen. Gaby Gerber, Kommunikationschefin des Bierproduzenten Feldschlösschen in Rheinfelden, geht davon aus, dass man in diesem Fall das Sortiment verkleinern müsste. «Wir könnten weniger Produkte anbieten und dies hätte direkte Auswirkungen auf unseren Umsatz», zeigt sich Gerber besorgt. Sie sei zwar froh, dass der Bund transparent auf das Risiko hinweise, spielt den Ball aber zurück an den Bundesrat: «Der Bund muss alles dafür tun, dass die Versorgungssicherheit in der Schweiz weiterhin gewährleistet ist.»
In die gleiche Kerbe schlägt BLT-Chef Andreas Büttiker. «Ich bin enttäuscht und erwarte, dass der Bundesrat Leadership übernimmt.» Es sei seit Jahren bekannt, dass die Schweiz im Winter auf einen Strommangel zusteuere. Nun werde dieses Problem an die Unternehmen delegiert. «Das finde ich nicht in Ordnung», sagt Büttiker.
Büttiker, Körkel und Gerber sind sich einig: Sie hoffen, dass sie ihre Pläne für ein Stromsparszenario nie aus der Schublade holen müssen.