So einen grossen Prozess hat die Genfer Justiz noch nie gesehen. Weil wegen der Corona-Massnahmen selbst der grösste Saal des Gerichtsgebäudes zu klein war, fand er im Palladium statt – normalerweise ein Konzertlokal.
188 Privatklägerinnen und Privatkläger kämpften in dem Prozess um ihr Geld. Sie hatten Anzahlungen von mehreren Zehntausend Franken geleistet, um eine Wohnung zu kaufen. Stattdessen sackten zwei Immobilienunternehmer das Geld für sich selbst ein.
Meine Wohnung wurde drei Personen angedreht.
Michel Scrima ist einer der Geschädigten. Vor zehn Jahren leistete er eine Anzahlung von 100’000 Franken, um eine Wohnung zu erhalten. Ihr Versprechen lösten die Unternehmer allerdings nie ein: «Meine Wohnung wurde drei Personen angedreht», erklärt er.
Gemäss der Anklage kassierten die beiden Betrüger über 400 solcher Anzahlungen ein. Auf diese Weise flossen ihnen über 22 Millionen Franken zu. Mit dem Geld finanzierten sie sich einen luxuriösen Lebensstil und teure Ferien mit Privatjet.
Gericht blieb unter Anträgen der Staatsanwältin
Dafür sollen sie nun je vier Jahre ins Gefängnis. Das urteilte das Genfer Strafgericht gestern Abend. Dabei stützte es die Hauptpunkte der Anklage: Gewerbsmässiger Betrug, ungetreue Geschäftsbesorgung und Urkundenfälschung. Das Gericht blieb damit leicht unter den Anträgen der Staatsanwältin.
Wenn das Gericht zum Ziel gehabt hätte, dass alle Kläger schnell ausbezahlt werden, hätte es ein Urteil ohne Gefängnis fällen müssen.
Die beiden Verteidiger verlangten im Prozess jedoch, dass ihre Mandanten nicht ins Gefängnis müssen. «Wenn das Gericht zum Ziel gehabt hätte, dass alle Kläger so schnell wie möglich ausbezahlt werden, hätte es ein Urteil ohne Gefängnis fällen müssen», erklärt Anwalt Pascal Pétroz, einer der beiden Verteidiger.
Die Verteidigung will nun Rekurs einlegen. Damit dürfte sich die Auszahlung verzögern. Denn Zivilforderungen können erst nach Abschluss des Strafverfahrens geltend gemacht werden. Die Privatklägerinnen und -Kläger werden ihr Geld also noch lange nicht sehen.
Vermögenswerte in zweistelliger Millionenhöhe beschlagnahmt
Dabei wäre genug Geld vorhanden. Schliesslich wurden Villen, Kunst und andere Vermögenswerte in zweistelliger Millionenhöhe beschlagnahmt.
Michel Scrima hat nur noch wenig Hoffnung auf seine 100'000 Franken. Seit zehn Jahren heisse es, das Geld werde zurückerstattet, sagt er. Das erstinstanzliche Urteil hat ihm noch keine Gerechtigkeit widerfahren lassen.