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mRNA-Forscher «Die Schweiz hat bei der mRNA-Technologie 14 Jahre verloren»

Die Schweiz soll ein Zentrum für die mRNA-Technologie werden. Ein Immunologe wollte dies bereits vor Jahren etablieren.

Der Bundesrat will für die Impfstoff- und Medikamentenförderung 50 Millionen einsetzen. Sein Ziel: die Schweiz soll ein Zentrum für die mRNA-Technologie werden. Der Immunologe Steve Pascolo wollte diese in Zürich bereits vor 15 Jahren etablieren. Doch niemand in der Schweiz glaubte an ihn.

Steve Pascolo

Forscher

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Steve Pascolo ist ein französischer Forscher und einer der drei Mitbegründer von Curevac, dessen Chief Scientific Officer er von 2000 (Gründungsdatum) bis 2006 war. Er hat einen bedeutenden Teil seines Berufslebens der Entwicklung der mRNA (messenger RNA)-Impfstofftechnologie gewidmet, insbesondere gegen Krebs. Heute arbeitet er als Immunologe und Forscher am Universitätsspital Zürich und leitet die mRNA-Plattform des URPP für Krebsforschung. Er ist auch der CEO der Schweizer Firma Miescher Pharma GmbH in Zürich.

SRF News: Sie forschen seit über 20 Jahren an der mRNA-Technologie und waren Mitbegründer der Firma Curevac. Warum kamen Sie ausgerechnet in die Schweiz?

Steve Pascolo: Mein Plan und Traum war es, im Jahr 2006 eine mRNA-Plattform in Zürich zu etablieren. Die Schweiz hat grossartige Universitäten und Spitäler, ein hohes Forschungsniveau. Ich brachte 2006 eine klinische Studie über mRNA-Vakzine gegen Lungenkrebs mit, aber bekam schnell keine Unterstützung mehr und verlor schliesslich 2010 meinen Job und mein Labor am USZ.

In Zukunft könnte es zur Gründung eines mRNA-Start-ups in der Schweiz führen.

Warum sind Sie damals gescheitert?

Die wissenschaftliche und medizinische Gemeinschaft dachte bis 2020 weitgehend, dass mRNA zu zerbrechlich ist, um ein Medikament zu werden. Ich schrieb viele E-Mails an die Leitung des Universitätsspitals und an viele Abteilungen. Wir hatten ein paar Treffen in den letzten 12 Jahren. Aber niemand glaubte an das Potenzial von mRNA.

Kommt die Unterstützung nun zu spät?

In Bezug auf Covid kommt sie zu spät. Impfhersteller haben bereits gute Impfstoffe gegen Covid. Generell ist es aber nie zu spät, in die Erforschung der mRNA-Technologie zu investieren. Klar ist, dass wir 14 Jahre verloren haben. In dieser Zeit haben Unternehmen weltweit die Technologie weiterentwickelt. Davon profitieren wir jetzt.

Die mRNA-Technologien können in der Medizin fast alles machen.

Braucht es die Unterstützung des Staates?

Ja, insbesondere für die Nutzung von mRNA zur Behandlung seltener Krankheiten. Denn für grosse Unternehmen lohnt es sich nicht, in diese Forschung zu investieren. Mittlerweile ist das Potenzial von mRNA riesig und jeder Aspekt (mRNA-Design, Produktion, Formulierung, Verabreichung) kann durch Forschung verbessert werden. In Zukunft könnte es zur Gründung eines mRNA-Start-ups in der Schweiz führen.

Wofür, ausser für Covid-Impfstoffe, kann die mRNA-Technologie sonst noch genutzt werden?

Die mRNA-Technologien können in der Medizin fast alles machen. Also wenn wir eine mRNA-Herstellung haben hier in der Schweiz, können wir Therapien für Augen, Hirn, Haut, Krebs entwickeln. Es gibt sehr viel, was wir machen können.

Das Gespräch führte Silvia Staub.

Tagesschau, 20.05.2021, 19:30

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