- «Kassensturz» hat fünf Säcke mit Plastikmüll gefüllt und in jedem dieser Säcke ein Ortungsgerät versteckt. Diese Recherchen bringen drei Erkenntnisse:
- Der Plastikmüll macht weite Wege und bleibt auf den Lagerplätzen lange unbearbeitet liegen.
- Die tatsächliche Recyclingquote ist tiefer als einige private Recycler versprechen.
- Plastikrecycling ist aufwändig und teuer. Der ökologische Nutzen, vor allem von gemischt gesammeltem Kunststoff, ist bescheiden.
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Insgesamt fallen pro Jahr in einem vierköpfigen Haushalt rund 150 Kilogramm Plastikmüll an. Bei Plastik-Recycling denken Konsumenten wohl zuerst an PET-Flaschen. Das Recycling dieser Flaschen funktioniert gut. PET macht aber nur einen kleinen Teil des Mülls aus. Der grosse Rest wird bisher als Kehricht verbrannt.
Heute sind es vor allem die Grossverteiler und einige private Recycler, die Plastikmüll aus Haushalten sammeln. 18‘000 Tonnen insgesamt im Jahr, das sind rund fünf Prozent des Verbrauches. Plastikrecycling steckt noch in den Kinderschuhen. Private Recycler wollen ihre Menge in Zukunft aber deutlich steigern.
Walter Häfeli, Geschäftsführer des Recyclers Häfeli Brügger AG sagt unmissverständlich: «Jedes Recycling mit Rücklauf in ein zweites Leben ist besser, als wenn man es verbrennt.»
Plastikflaschen ins Ausland verkauft
Tatsächlich? Das «Kassensturz»-Tracking soll Aufklärung bringen. Ein Ortungsgerät wirft «Kassensturz» bei der Plastiksammelstelle bei Aldi in Luzern ein. Der Sender landet in einem Verteilzentrum, von da wird die Ware weitergeleitet zum Recycler Müller in Frauenfeld. Auffallend: Auf dem Firmengelände lagern riesige Stapel von Plastikmüll. Müller Recycling sortiert das Sammelgut in die verschiedenen Kunststoffarten. Doch nach der Sortierung kommt das Recycling ins Stocken.
Müller könnte in der Schweiz aus alten Plastikflaschen wieder neue herstellen. Er hätte die gesamte Technologie vor Ort. Doch ihm sind die Hände gebunden. Niemand ist bereit, den Preis für die rezyklierten Plastikflaschen zu zahlen. Müllers rezyklierte Plastikflaschen wären zu teuer, oder anders gesagt: Der Rohstoff aus neuem Material ist zu billig.
«Ich bin gezwungen, die sortierten Plastikflaschen ins Ausland zu verkaufen, wo wir aber nicht genau wissen, was damit passiert», ärgert sich Cesar Müller, Inhaber der Firma Müller Recycling.
Gepresster Plastikmüll stapelt sich auch auf dem Gelände von Innorecycling in Eschlikon, einem der grossen privaten Recycler. Hier landet die Plastikflaschen-Sammlung der Migros, die «Kassensturz» ebenfalls mit einem Ortungsgerät nachverfolgt hat. Die Migros liefert nur hochwertige Kunststoffarten. Diese kann der Recycler zu Granulat verarbeiten, das er an Kunststoffverarbeiter in ganz Europa liefert.
Quer durch Europa
Ganz anders verhält es sich bei Plastiksammlungen, die von der Plastikfolie bis zum Blumentopf viele verschiedene Kunststoffarten annehmen. Dieser kunterbunte Haufen bleibt Wochen oder gar Monate liegen. So der Sack des Sammelsystems Sammelsack.ch. «Kassensturz» wirft einen Sack mit einem Ortungsgerät bei der Sammelstelle Neuenschwander in Lohn-Ammannsegg ein. Er lagert dort seit einem Monat. Dann geht der Müll weiter zur Firma Innorecycling. Dereinst wird das Plastik gemäss diesem Recycler die österreichische Grenze überqueren und bei der Firma Häusle in Lustenau landen. Einem berühmt berüchtigten Sortierer (siehe Kasten).
Die Kunststoffrecycler begründen ihre Stapel auf dem Gelände, das Recycling sei noch im Aufbau, oft müsse über lange Zeit gesammelt werden, bis genügend grosse Mengen für einen effizienten Weitertransport vorhanden seien.
«Eurozone ersäuft in billigem, dreckigem Kunststoff»
Eine andere Erklärung für das schleppende Recycling und die lange Lagerzeit des Plastikmülls hat Rainer Bunge. Bunge hat die Stoffflüsse des Schweizer Plastikrecyclings wissenschaftlich untersucht. Er ist Co-Autor der breit angelegten Plastikrecycling-Studie «KuRVe», die der Bund und mehrere Kantone in Auftrag gegeben haben. Er sagt, der europäische Kunststoffmarkt sei momentan in Aufruhr.
«Es gibt einen massiven Rückstau aus China. Die wollen den dreckigen Kunststoff, den wir Europäer traditionell dorthin gebracht haben, nicht mehr. Im Moment ‹ersäuft› die Eurozone in billigem, dreckigem Kunststoff. Das koppelt auch auf den Schweizer Markt zurück.»
Masse anstatt Klasse
Tatsächlich sammeln private Recycler nicht nur gut rezyklierbare Kunststoffarten wie Plastikflaschen. Während die Grossverteiler sich im Wesentlichen auf Plastikflaschen beschränken und so einen hohen Anteil dem Recycling zuführen können, ist das Sammelgut einiger privater Recycler durchsetzt mit viel Unrezyklierbarem. Dazu Rainer Bunge: «Bei solchen Gemischtsammlungen muss man sich bewusst sein, dass die Qualität jammervoll ist. 50 bis 75 Prozent gelangen in eine Verbrennung.»
Walter Häfeli von Häfeli Brügger etwa sammelt mit dem Kunststoffsammelsack beispielsweise auch Spielzeuge, obwohl diese meist aus verschiedenen Kunststoffarten bestehen und nicht rezykliert werden können. Häfeli verspricht im «Kassensturz»-Interview, dass dennoch 70 bis 80 Prozent seines Sammelgutes rezykliert würden.
«Kassensturz» machte den Faktencheck und verfolgte den Weg seines Sammelgutes bis nach Deutschland zur Firma Vogt in Rheinfelden, wo Häfelis Plastikmüll sortiert wird. Resultat: Die tatsächliche Ausbeute sprich Recyclingquote beträgt lediglich 50 Prozent.
Die restlichen 50 Prozent, also Spielzeuge, PVC-haltige, weiche Kunststoffe, Styropor oder andere Fehleinwürfe sind nicht rezyklierbar und landen nach einem energieaufwendigen Wasch-, Sortier- und Trocknungsprozess doch in der Verbrennung.
Walter Häfeli auf die tatsächlich tiefe Recyclingquote angesprochen, verweist auf das Grundsätzliche, dass jedes Recycling mit Rücklauf besser sei als die Verbrennung.
Ein Grillsteak weniger
Mit dem Sammelsystem «Supersack» sammelt der Liechtensteiner Recycler Elkuch im Toggenburg und im St. Galler Rheintal gemischten Plastikmüll. Elkuch macht mit dem Müll nichts, er fährt ihn lediglich durch ganz Deutschland bis an die holländisch-deutsche Grenze zu einem Sortierer.
Was danach mit dem Plastikmüll passiert, weiss Geschäftsführer Manuel Elkuch nicht. Er ist vom Sinn eines solchen Recyclings dennoch überzeugt: «Es ist aufwendig, das stimmt. Aber was möglich ist zum Recyceln, müssen wir dem Recycling zuführen.»
Der Zusammenschluss der privaten Kunststoffrecycler VKRS unterstreicht diese Aussage und sagt, der ökologische Nutzen des Plastikrecyclings sei gleich hoch wie beim Glasrecycling.
Der Rapperswiler Professor Rainer Bunge hingegen zieht eine ernüchternde Bilanz. In seiner Studie kommt er zum Schluss, dass das Plastikrecycling aufwendig und teuer sei. Der ökologische Nutzen hingegen sei gering. «Der ökologische Nutzen entspricht dem, wie wenn ich pro Jahr auf 30 Kilometer Autofahren verzichten oder mir ein Grillsteak verkneifen würde.»
Wer einen möglichst grossen Umwelt-Nutzen erzielen will, dem bleibt wohl nur, möglichst viel Plastikmüll zu vermeiden.