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Multiresistente Erreger «Schweizweit grösster Fall eines multiresistenten Spitalkeims»

Das Berner Inselspital versucht seit Monaten vergeblich, einen Super-Keim auszurotten. Das zeigen «10vor10»-Recherchen.

Ende letzten Jahres trat bei zwei Krebs-Patienten am Berner Inselspital eine Blutvergiftung auf. Die Ärzte untersuchten sie und merkten: Die Patienten hatten sich mit multiresistenten Bakterien infiziert. Es sind Enterokokken, die gegen eine Gruppe von Antibiotika resistent sind; unter anderem gegen Vancomycin, darum heissen sie Vancomycin-resistente Enterokokken, kurz VRE.

Zwar kennt man VRE in der Schweiz schon lange, neu und beunruhigend aber ist, dass bei beiden Patienten derselbe Bakterienstamm aus Australien gefunden wurde. Ein Stamm, der sich sehr schnell verbreitet. In Europa sieht man den australischen Keim zum ersten Mal.

Schnelle Verbreitung

Zwar hat Jonas Marschall, Chefarzt der Spitalhygiene, sofort reagiert und alle Patienten, die mit den Infizierten in Kontakt gekommen sind, auf VRE getestet und einzeln in Zimmern isoliert. Dennoch hat sich der Keim in den letzten acht Monaten auf rund 230 Patienten im Spital übertragen.

«Das ist der grösste Fall eines multiresistenten Spitalkeims, den wir in der Schweiz bisher gesehen haben», sagt Andreas Widmer, Präsident der Spitalhygieniker-Vereinigung (Swissnoso).

Nur noch Reserve-Antibiotika

95 Prozent der Patienten am Inselspital tragen den Keim nur in der Darmflora und sind damit selber nicht gefährdet. Als Träger des Keims können sie aber zu seiner Verbreitung beitragen. Darum müssen auch sie isoliert werden. Das Spital steht in der Verantwortung, dass sich der VRE nicht weiter überträgt. Bei abwehrgeschwächten Patienten kann der Keim gefährliche Entzündungen auslösen. Wegen seiner Multiresistenz wirken nur noch zwei bis drei Reserve-Antibiotika.

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«Die Optionen werden noch mehr eingeschränkt»
Aus News-Clip vom 07.09.2018.
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«Über 1 Million Franken Kosten fürs Spital»

«Zum Glück haben wir keine Todesfälle wegen dem multiresistenten Erreger», sagt Jonas Marschall gegenüber «10vor10». Dass nur noch wenige Antibiotika wirken, bereitet ihm Sorge: «Reagiert ein Patient allergisch auf ein Antibiotikum, sind unsere Möglichkeiten noch eingeschränkter».

Ein multiresistenter Erreger im Spital verursacht auch hohe Kosten wegen der vielen Patienten, die einzeln isoliert werden müssen, aufgrund der rund 7000 Darmabstriche, die bereits im Inselspital gemacht wurden und wegen den verstärkten Hygienemassnahmen. Dieser Fall werde das Inselspital über eine Million Franken kosten, schätzt Andreas Widmer von Swissnoso.

Übertragungsweg unbekannt

Die grösste Sorge aber ist, dass der australische Erreger in den letzten acht Monaten nicht ausgerottet werden konnte. Im Vergleich zu VRE-Ausbrüchen am Lausanner Universitätsspital, die nach durchschnittlich zwei bis drei Monaten eliminiert waren, lässt das aufhorchen. Jonas Marschall gegenüber «10vor10»: «Schlussendlich wissen wir nicht, auf welchem Weg der Erreger übertragen wird: Geschieht das durch die Mitarbeitenden oder durch den direkten Kontakt unter Patienten?» Es könnte auch sein, dass der Superkeim sich über Geräte übertrage, die von einer Person zur nächsten gereicht werden. Klar sei nur: Dieser Keim könne wochen- wenn nicht monatelang auf Gegenständen überleben und sei damit leicht übertragbar. Unter Fachleuten umstritten ist eine australische Studie, die besagt, dass die Wirksamkeit von alkoholhaltigen Desinfektionsmitteln beim australischen VRE abnimmt.

Schlussendlich wissen wir nicht, auf welchem Weg der Erreger übertragen wird
Autor: Jonas Marschall Chefarzt Spitalhygiene Inselspital

Reha-Zentren und Pflegeheime mitbetroffen

Der gefährliche VRE-Keim bleibt nicht nur im Inselspital: Weil Patienten nach wenigen Tagen verlegt werden, sind auch Rehabilitationszentren, Pflege- und Altersheime in den Kantonen Bern und Wallis betroffen.

Das Berner Kantonsarztamt hat spezielle Weisungen für die Isolierung und Hygiene von VRE-Patienten erteilt.

Fehlende Früherkennung

Wann und wie aber ist der australische Keim ins Inselspital gekommen? Niemand weiss es. Viele Spitäler täten zu wenig, um Superkeime frühzeitig zu entdecken, kritisiert Infektiologe Stephan Harbarth vom Universitätsspital Genf.

«Erst die Hälfte der Schweizer Spitäler untersucht Risikopatienten, die kürzlich im Ausland hospitalisiert waren, beim Spitaleintritt auf VRE», sagt Harbarth. Und erst 20 Prozent der Spitäler würden Patienten, die innerhalb der Schweiz verlegt werden, auf VRE testen. Auch das Inselspital habe Patienten bisher beim Eintritt nicht auf VRE untersucht, sagt Jonas Marschall.

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«VRE kann auch in der Schweiz übertragen werden»
Aus News-Clip vom 07.09.2018.
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Task-Force VRE

Unterdessen ist der VRE-Fall vom Inselspital zur Bundessache geworden: Ende Juni hat das Bundesamt für Gesundheit (BAG) eine Task Force gegründet. Ziel: Einheitliche Richtlinien für alle Schweizer Spitäler. Im Gegensatz zum kantonal organisierten Gesundheitswesen kennen Superkeime nämlich keine Kantonsgrenzen.

Man sei nicht zu spät dran, sagt der Leiter der Abteilung übertragbare Krankheiten beim BAG. Daniel Koch räumt aber ein, dass «besondere Anstrengungen für die Koordination» nötig seien, weil das Gesundheitswesen nicht zentralisiert ist und weil multiresistente Keime sich nicht mehr nur regional, sondern weltweit verbreiten.

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«Es sind besondere Anstrengungen nötig»
Aus News-Clip vom 07.09.2018.
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Kampf gegen die Zeit

Verbandspräsident Andreas Widmer warnt: «Dieser Superkeim wird uns noch rund zwei Jahre lang beschäftigen». Der australische VRE kann ein Jahr lang im Darm überleben.

Einige der besiedelten Patienten des Inselspitals, die nun zuhause sind, werden darum wieder in ein Spital gehen und den Keim möglicherweise übertragen, so dass es zu einem weiteren Ausbruch kommen könnte. Wird der VRE-Keim nicht konsequent bekämpft, kann er sich dauerhaft in Spitälern einnisten. So geschehen in Deutschland und den USA.

Globalisierung verstärkt Risiken

«Wir sind ein Opfer der Globalisierung», sagt Jonas Marschall vom Inselspital. Je mehr sich Superkeime wie der australische VRE verbreiten, desto grösser die Gefahr, dass sie sich auf abwehrgeschwächte Patienten übertragen. Weil viele Antibiotika nicht mehr wirken, steigt langfristig das Risiko für Schweizer Spitäler, dass ihre schwächsten Patienten an einem Infekt sterben könnten.

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