Nun wurde ein Untersuchungsbericht über die 1990 enttarnte Schweizer «Geheimarmee» P26 veröffentlicht. Es ist allerdings nicht der Originalbericht. Sacha Zala, der Direktor der Forschungsstelle für Diplomatische Dokumente der Schweiz, findet, die Geheimnistuerei um den Originalbericht sei nicht angebracht.
SRF News: Ist die Geheimniskrämerei um den Bericht kontraproduktiv?
Sacha Zala: Es ist immer dasselbe Muster. In den 1980er-Jahren gab es eine ähnliche Situation. Damals hat der Bundesrat den berühmten Revisionsbericht über den Interhandel-Fall geheimgehalten. Es ging um die Tarnung von Nazi-Guthaben in der Schweiz während des 2. Weltkrieges. Der Bericht wurde 1980 gesperrt. Im Rahmen der Bergier-Untersuchungen wurde er unter die Lupe genommen und auf parlamentarischen Druck 2001 freigegeben. Als er dann publiziert war, merkten alle, dass es gar nichts Explosives darin gibt.
Der Schaden, der angerichtet wird, weil man sie sperrt, ist immens.
Nun hat der Bundesrat eine gekürzte Version – man könnte auch sagen, eine zensierte Fassung – veröffentlicht. Kann man da wirklich von mehr Transparenz sprechen?
Das können wir nicht wissen, wir haben ja den vollständigen Bericht nicht. Die Version, die nun veröffentlicht ist, wurde bei den Personen anonymisiert. Zum Teil ist das lächerlich. Wenn der Generalstabschef anonymisiert wird, kann man einfach im Staatskalender nachschauen, wer es war. Auch gewisse andere Passagen sind zensuriert. Vermutlich sind es diejenigen, in denen es um die Kontakte mit dem Ausland geht. Andererseits können wir die Dynamik der Untersuchung von Cornu erkennen. Deshalb würde ich schon sagen, dass mehr Transparenz geschaffen würde.
Wenn in der Realität etwas stattfindet, gibt es eine unheimliche Fülle von Quellen.
Als Präsident der Schweizerischen Gesellschaft für Geschichte plädiere ich sowieso für mehr Gelassenheit im Umgang mit der Vergangenheit. Diese Vorgänge sind in der fernen Vergangenheit passiert und die haben keine Rückkoppelung auf die heutige Politik. Der Schaden, der angerichtet wird, weil man sie sperrt, ist immens viel grösser als mögliche kleine Übertretungen im Bereich der Geheimhaltung.
Der Originalbericht, der so genannte Cornu-Bericht, bleibt weiterhin für Jahre geheim. Der Bundesrat macht offenbar auch unter Druck nur das absolute Minimum, wenn es um die P26 Akten geht. Stimmt dieser Eindruck?
Ja, und das ist eindeutig kontraproduktiv. Hier werden Mythen geschaffen und eine P26 konstruiert, die es vermutlich in dieser Form gar nicht gegeben hat.
Inhaltlich stellt der jetzt veröffentliche Bericht nur das fest, was man schon weiss. Die P26 hatte keine systematischen Beziehungen zum Ausland. Warum soll diese Veröffentlichung die Öffentlichkeit interessieren?
Das ist genau der Punkt. Meistens, wenn man es publiziert hat, ist es nicht mehr interessant. Deswegen plädiere ich auch für Transparenz. Ich würde rein aus einer theoretischen Überlegung heraus postulieren, dass es nicht im Interesse des heutigen Bundesrats ist, jetzt ein Bild zu konstruieren, von dem sich später zeigt, dass es nicht der Realität entspricht. Der heutige Bundesrat kann nichts für die P26. Ich gehe davon aus, dass der heute publizierte Bericht eine gewisse Konsistenz hat mit dem eigentlichen, noch nicht freigegeben Bericht. Dieser wird in einer unmittelbaren Zukunft auch publizierbar sein.
Sie haben gesagt, man sei übervorsichtig. Aber es liegt in der Natur der Sache, dass Sie als Historiker Berichte gerne vorher hätten.
Ja, aber grundsätzlich glaube ich, dass das Faszinosum des Geheimen die wahre Bedeutung der Vorgänge massiv überzeichnet. Das Unbekannte wird hochstilisiert. Es wird zu etwas, das es eigentlich nicht gibt. Wir müssen auch immer wieder auf den Boden der Realpolitik zurückkommen. Wenn in der Realität etwas stattfindet, gibt es eine unheimliche Fülle von Quellen. Ich würde mich sehr täuschen, wenn wir eines Tages den kompletten Bericht sehen und dieser Bericht ein ganz anderes Bild von dem, was wir heute haben, zeichnen würde.
Das Gespräch führte Romana Costa.