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Nach 20 Jahren Reformstau Abstimmungs-«Arena» zur «Altersvorsorge 2020»

Mit der Rentenreform soll ein Milliardendefizit verhindert werden. Für die Gegner ist die Vorlage ein teurer Ausbau.

Er kämpfe für die «Altervorsorge 2020» mit Charme, aber auch mit Drohungen, konfrontiert Jonas Projer Sozialminister Alain Berset zu Beginn der Abstimmungs-«Arena»: «Es gehört auch zur Debatte, Klartext und Ehrlichkeit zu zeigen», stellt Berset klar. Wenn nichts passiere, hätten wir wegen der Demografie in der AHV in Zukunft ein Defizit, und es können keine Renten mehr bezahlt werden.

Nach 20 Jahren ohne Reform sei der vorliegende Kompromiss ausgewogen. «Nach sechs Jahren Arbeit ist keine bessere Lösung auf den Tisch gekommen, die mehrheitsfähig ist», ist Berset überzeugt.

Der Sozialminister erinnert daran, dass schon zweimal Rentenreformen gescheitert seien, 2004 die AHV-Revision und 2010 die Revision der Pensionskassen. Der Bundesrat habe gelernt, dass es nur gehe, wenn das Rentenniveau erhalten bleibe. Und dafür würden konkret 70 Franken mehr AHV, oder 226 Franken für Ehepaare, eingesetzt.

Es gibt Leute, die sprechen von Ausbau, ich spreche von Ausgleich.
Autor: Alain Berset

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Gegen die «Altersvorsorge 2020» haben Linksparteien und Gewerkschaften in Genf unterstützt von den Konsumentenzeitschriften «K-Tipp» und «Saldo» das Referendum ergriffen. SP-Bundesrat Berset ist aber von der Reform überzeugt, auch gegen die Position von FDP und SVP: «Die FDP hat 95 Prozent ihrer Forderungen erreicht, ausser diese 70 Franken mehr AHV. Und wegen diesem Punkt will man die ganze Vorlage an die Wand fahren!»

Und an die Linke gerichtet, die keine Stärkung der zweiten Säule wolle, sagt Berset, es müssten in einer Reform trotzdem beide Säulen gestärkt werden, wenn es in der ersten und zweiten Säule Probleme gebe.

Ruth Humbel unterstützt den Punkt, dass beide Säulen zusammen renoviert werden sollen und so das Rentenniveau gehalten werden kann. SVP und FDP hätten vor allem in der zweiten Säule kompensieren wollen. «Das hätte bei den unteren Einkommen zu Abzügen geführt».

Karin Keller-Suter will diesen Ausbau mit den 70 Franken nicht mittragen. In den kommenden zehn Jahren würden eine Million Menschen in Rente gehen. Immer weniger Erwerbstätige stünden immer mehr Rentnern gegenüber. «Wenn alle Neurentner 70 Franken pro Monat mehr erhalten, verschlechtert sich die Finanzlage der AHV mit einem Defizit von einer Milliarde in zehn Jahren.»

Als strategischen Fehler und gar Fehlkonstruktion bezeichnet Roland Eberle die Reform mit der Finanzierung übers Kreuz zwischen den beiden Säulen. Die AHV sei der wichtigste Pfeiler in der Sozialversicherung. Berset spreche von Ausgleich, aber es gebe nichts auszugleichen, denn die Renten in der zweiten Säule würden ja vollständig ausgeglichen.

Weil der Umwandlungssatz in der zweiten Säule gesenkt werden solle, erhalte die Übergangsgeneration der 45- bis 64-Jährigen bei Erreichen des Pensionsalters 65 eine vollständige Kompensation aus dem sogenannten Sicherheitsfonds, ergänzt Keller-Suter. «Wir investieren sechs Milliarden Franken in diese zweite Säule.»

Sparen mit tieferem Koordinationsabzug

In der zweiten Säule ändert sich aber auch, dass mehr in die Pensionskasse eingezahlt wird. Dafür wird der sogenannte Koordinationsabzug gesenkt. Dieser von der Pensionskasse nicht versicherte Lohnanteil von heute 24'675 Franken würde bei der Reform auf 14'100 Franken gesenkt. Damit wird auch bei tieferen Löhnen mehr angespart.

Gerade junge Frauen würden von dieser Massnahme profitieren, sagt Doris Bianchi vom Gewerkschaftsbund (SGB). Teilzeitarbeit diskriminiere Frauen mit einer Teilzeitanstellung. «Sie haben im Schnitt eine Pensionskassenrente, die 63 Prozent tiefer ist als die der Männer.» Mit der verbesserten AHV ergebe sich so auch eine höhere Rente aus der zweiten Säule.

Der Widerstand von ganz Links

In Genf hatten linke Parteien und Gewerkschaften das Referendum gegen die «Altersvorsorge 2020» ergriffen. Alessandro Pelizzari vom Gewerkschaftsbund Genf stösst sich schon daran, dass Berset mehrmals gesagt hat, die Rentenreform sei keine Ausbauvorlage. «Das ist eigentlich schon Grund genug für ein Referendum.» Es gebe heute in der Schweiz 2,3 Millionen Rentner, von denen würden 20 Prozent unter der Armutsgrenze leben.

Dagegen nichts zu machen, ist ein sozialpolitischer Skandal.
Autor: Alessandro Pelizzari Gewerkschaftsbund Genf

Trotzdem überwiegen für die nationalen Gewerkschaften die Vorteile der Altersvorsorge. Für Doris Bianchi können so die Renten gesichert werden. Das bringe für Jüngere in Zukunft bessere Renten aus der AHV und aus der zweiten Säule dank den überfälligen Massnahmen für Teilzeit-Arbeitende.

Damit profitieren auch die Frauen, trotz höherem Rentenalter.
Autor: Doris Bianchi Gewerkschaftsbund (SGB)

Junge stossen sich an Reformstau und Umverteilung

Auch bei der jungen Generation gehen die Meinungen auseinander. Für Salomè Vogt vom Think-Tank Avenir Jeunesse sollte eine Rentenreform langfristig die Renten sichern und nicht nur für die kommenden zehn Jahre. «Mit dieser Reform wird die junge Generation unter 30 Jahren stärker belastet. Darum sollte nicht auch noch ein Leistungsausbau in der AHV erfolgen.»

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Nico Planzer von der Jungen BDP kritisiert den langern Reformstau von 20 Jahren. Darum würden der jetzt arbeitenden Generation jetzt 20 Jahre Zeit für ihre Rentenbildung fehlen. Darum müsse die Reform auch alle Generationen belasten. «Die Vorlage bringt einen Kompromiss auf den Tisch, der aber für alle zu ertragen ist.»

Salomè Vogt kritisiert auch, das nicht alle möglichen Massnahmen in der Reform in Betracht gezogen worden seien, und bringt dabei das delikate Thema der Erhöhung des Rentenalters ins Spiel.

Ruth Humbel nimmt diesen Ball auf: Gerade diese Vorlage bringe die Möglichkeit einer Flexibilisierung beim Rentenalter zwischen 62 und 70 Jahren. Wer bis 70 arbeiten wolle, könne so seine Rente aufbessern. Aber parallel dazu müsse natürlich auch die Wirtschaft bereit sein, die Mitarbeiter so lange arbeiten zu lassen.

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