Darum geht’s: Im Rahmen des Tätigkeitsberichts 2023 über die Terrorismusbekämpfung hierzulande spricht Bundesanwalt Stefan Blättler eine Warnung aus: Die Täter werden immer jünger. Er scheint damit einen Nerv getroffen zu haben. Die Messerattacke auf einen orthodoxen Juden in Zürich Anfang März führte vor Augen: Auch in der Schweiz kann es zu dschihadistischen Anschlägen kommen. Der Täter war erst 15 Jahre alt. Am Samstag folgte eine weitere Meldung: Die Schaffhauser Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher geplanter Anschläge gegen zwei Jugendliche und einen jungen Erwachsenen aus der Nordostschweiz.
Extremismus und Jugendgewalt: Genaue Zahlen zu extremistischen jugendlichen Straftätern sind nicht bekannt. Die Kriminalstatistik zeigt aber: In den Jahren seit 2015 hat die Jugendkriminalität in der Schweiz nach jahrelangem Rückgang wieder zugenommen. Zwar ging zwischen 2022 und 2023 die Zahl der Täterinnen und Täter zwischen 10 und 14 Jahren wieder etwas zurück – doch unverändert bleibt: Die Anzahl schwerer Gewalttaten steigt seit 2013 kontinuierlich an und hat Höchstwerte erreicht.
Das Jugendstrafrecht: Bundesanwalt Blättler macht die momentane rechtliche Aufteilung zum Gesprächsthema und stellt die Einführung von speziellen Jugendanwaltschaften in den Raum. Das bestehende Jugendstrafrecht gibt es seit 2007. Die Verantwortung liegt dabei bei den Kantonen. Gemäss aktuellem Recht droht dem Täter der Messerattacke in Zürich etwa maximal ein Jahr Gefängnis. Weitere erzieherische, therapeutische Massnahmen können bis zum 25. Lebensjahr dauern. Das Parlament hat zudem jüngst beschlossen, dass Jugendliche bei Mord in besonders schwerwiegenden Fällen verwahrt werden dürfen.
Das sagen die Kantone: Die Jugendanwaltschaften sind bei der Diskussion um eine neue Verteilung der Kompetenzen geteilter Meinung. In Schaffhausen findet man den Ansatz spannend: «Ich begrüsse eine politische Diskussion», so Peter Sticker, erster Staatsanwalt im Kanton. Denn kleinen Jugendanwaltschaften könne es unter Umständen an der notwendigen Expertise fehlen. In anderen Kantonen wie Solothurn ist man hingegen skeptisch: «Wenn man das, was man hat, richtig anwendet, braucht es keine spezielle Stelle. Die Vernetzung unter den Institutionen ist wichtig und ist zum Grossteil heute schon vorhanden», so eine Stellungnahme gegenüber SRF. Klar ist: Eine Änderung der Zuständigkeit müsste das Parlament anpacken.
Das sagt der Experte: Auch der schweizweit bekannte Forensiker und Psychologe Frank Urbaniok findet den Vorschlag des Bundesanwaltes prüfenswert. Er erachtet eine spezialisierte Stelle als sinnvoll – auch um jedem Fall gerecht zu werden. «Das Kredo muss immer sein, dass man eine richtige, möglichst angepasste Lösung für den Einzelfall findet», meint Urbaniok. «Im Einzelfall kann es sein, dass die Radikalisierung stark mit der Persönlichkeit verbunden ist. Dann soll die Person auch an eine passende Stelle kommen, die sich damit auskennt.» Weiter sieht Urbaniok in einem zentralisierten Modell neben einem Vorteil bei der Ermittlung auch ein gesellschaftliches Symbol: «Man markiert, dass bestimmte Taten ein Angriff auf die ganze Gesellschaft sind. Das wäre ein Signal, dass solche Taten besonders ernst zu nehmen sind.»