Arbeitgeberverbandspräsident Valentin Vogt ist ein klassischer Vertreter der Schweizer Wirtschaft – europafreundlich und pro Rahmenabkommen. Er begrüsst denn auch, dass sich die beiden Seiten nach dem Aus des Rahmenabkommens endlich getroffen haben.
Wer keinen oder einen unrealistischen Plan hat, der muss sich nicht wundern, dass die Gegenseite den Takt vorgibt.
Zum Resultat des Treffens sagt er: «Wir wollten eigentlich verhindern, dass wir unter Druck geraten. Und genau das ist wieder passiert. Der Bundesrat ist zurückgekommen mit einem Auftrag und einem entsprechenden Besprechungstermin. Das wollten wir verhindern.»
Das ist kein schmeichelhaftes Feedback. Vogt erklärt: «Ich denke, der Bundesrat hat einen unrealistischen Plan vorgelegt, nämlich vor den Wahlen die Beziehungsebene zu pflegen und dann, nach den Wahlen, sprich nach 2023, inhaltliche Diskussionen aufzunehmen. Das ist für die EU nicht akzeptabel. Ich denke, auch für uns ist das kein guter Plan.»
Unzufriedenheit mit dem Bundesrat
Economiesuisse-Präsident Christoph Mäder vertritt in der Frage ähnliche Positionen wie Vogt. So sagt auch er nach dem Treffen: «Die Reaktion der EU hat deutlich gemacht, dass es nun Zeit ist, mit konkreten Vorschlägen an die EU heranzutreten.» Er glaubt, «dass eine Weiterführung eines Dialogs ohne inhaltliche Vorschläge wohl nicht zielführend sein kann».
Die Unzufriedenheit mit dem Bundesrat ist unüberhörbar. Ignazio Cassis selber sprach von einem Dreistufenplan im Verhältnis zur EU, wobei institutionelle Fragen erst nach 2023 wieder zur Sprache kommen sollten. Doch das gehe so nicht, sagt Mäder: «Wir müssen versuchen, den bilateralen Weg baldmöglichst abzusichern. Da bleibt nicht allzu viel Raum zur Pflege des diplomatischen Dialoges.»
Ein Gegenspieler der beiden Wirtschaftsverbände ist die neue Organisation Kompass Europa von Finanzmilliardär Fredy Gantner. Sie bekämpfte das Rahmenabkommen vehement, vor allem wegen der Rolle des Europäischen Gerichtshofes (EuGH). Ihr Geschäftsführer Philip Erzinger beurteilt das Treffen denn auch nicht ganz so kritisch.
Die EU habe es leichter, weil sie schon lange wisse, was sie wolle, nämlich die institutionellen Fragen regeln. Darum sei es einfach für sie, eine taktische Offensive zu starten und zu versuchen, die Schweiz mit dem Fahrplan unter Druck zu setzen. «Wir dürfen einfach nicht nervös werden.» Aber auch Erzinger betont, dass die Schweiz – parallel zu den Gesprächen mit der EU – auch ihre eigene Position klären müsse. «Da scheint der Bundesrat noch nicht so weit zu sein», so Erzinger.
Welches Verhältnis will die Schweiz zur EU? Und wie stellt sie sich zur Forderung der EU, dass mit dem Zugang zum EU-Binnenmarkt auch institutionelle Forderungen verbunden sind? Auch darauf muss die Schweiz eine Antwort haben, sagt er. Und damit stellt sich wieder die Frage: Was kann der Bundesrat der EU im Januar sagen? Hans-Jörg Bertschi von Autonomiesuisse, einer Organisation, die das Rahmenabkommen bekämpfte, meint: «Ich glaube, es ist absolut nicht realistisch, hier im Januar schon ein detailliertes Bild zu haben.»
Der Bundesrat – etwas unter Druck – dürfte wohl sagen: Er brauche mehr Zeit. Das ist wohl realistisch. Ob es hilft, ist eine andere Frage.