In der Südschweiz wartet man seit dem Rücktritt von Flavio Cotti 1999 darauf, dass wieder ein Tessiner oder eine Tessinerin in den Bundesrat gewählt wird. Der ehemalige FDP-Präsidenten Fulvio Pelli gilt als Bundesratsmacher, seit er den damaligen Neuenburger Ständerat Didier Burkhalter in den Bundesrat brachte.
SRF News: Die Chancen für einen Tessiner Bundesrat oder eine Bundesrätin sind so gut wie nie. Sehen Sie das auch so?
Fulvio Pelli:Ich bin auch dieser Meinung. Es ist das erste Mal, seit ich in der Politik bin, dass es eine echte Chance für eine Tessiner Kandidatur gibt. Das hat einerseits damit zu tun, dass es im Bundesrat im Moment drei Welsche gibt, und dann mit den Schwierigkeiten, die die FDP hätte, zwei Deutschschweizer Bundesräte zu stellen.
Wer aus dem Tessin sollte diese Chance idealerweise packen?
Das ist eine Parteisache. Aber insgesamt glaube ich, wenn wir mit den Kandidaturen rechnen, die möglich sind, sollten diese einen grossen Teil des Tessins zufrieden stellen. Die Namen haben wir schon mehrmals gelesen. Ich trage keine Verantwortung für die Auswahl. Deshalb wiederhole ich sie nicht selber. Aber alle Leute wissen, um welche Personen es geht.
Als Favorit wird Ignazio Cassis gehandelt. Als Fraktionspräsidenten der FDP kennt man ihn im Bundeshaus. Ist das ein Vor- oder ein Nachteil?
Um gewählt zu werden, sollte man bei den Parlamentariern einigermassen bekannt sein. Ein Fraktionschef ist natürlich bekannt. Ob er beliebt ist, ist eine andere Frage. Aber im Prinzip gilt: Die Bundesratswahl verpflichtet die Parlamentarier, sich auch für Leute anderer Parteien auszusprechen. Es ist normal, dass auch nicht total beliebte, aber zumindest respektierte Leute gewählt werden. Im Falle von Cassis glaube ich, sollte er den Respekt der anderen Parteien haben.
Die Frauenfrage scheint diesmal nur eine untergeordnete Rolle zu spielen. Finden sie es richtig, dass in erster Linie ein Tessiner gewählt werden soll?
In Kategorien zu wählen, ist nie sehr gut. Man muss Persönlichkeiten wählen. Wenn wir über Frauen welschen oder Tessiner Ursprungs reden, sind wir bei der FDP vielleicht weniger gut bedient als mit deutschsprachigen Frauen, die eine Runde warten können. Deshalb ist die Frage wohl nicht so heikel.
Eine ehemalige Tessiner Staatsrätin wird aber ins Spiel gebracht, Laura Sadis. Mit ihr würde man doch zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen?
Natürlich, das ist wahr. Das ist der zweite Name, den Sie nennen. In dem Fall wäre die Lösung ideal. Das Problem von Frau Sadis ist vielleicht, dass sie weniger bekannt ist in Bern. Sie ist nur kurze Zeit Nationalrätin geblieben. Seit vielen Jahren ist sie nicht mehr in Bern. Deshalb muss die FDP sich vertiefte Überlegungen machen, ob sie bessere Chance hat als Cassis.
Den Räten schlägt man ja in der Regel zwei Kandidaten vor. Ist es für Sie wichtig, dass es in diesem Fall zwei Tessiner Kandidaturen sind?
Es ist etwas unwahrscheinlich, dass die FDP-Fraktion mit zwei Tessiner Kandidaten vorgeht. Schliesslich gibt es auch den Anspruch welscher FDP-Mitglieder. Deshalb vermute ich, es werden ein Welscher und ein Tessiner oder eine Welsche und eine Tessinerin sein, aber nicht zwei Tessiner.
Das Gespräch führte Nicoletta Cimmino.
Burkhalters Nachfolge – Die heissesten Anwärter
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Bild 1 von 5. Ignazio Cassis: Der Tessiner hat sich als FDP-Fraktionschef einen Namen gemacht. Allerdings kostete ihn sein Widerstand gegen die Reform der Altersvorsorge bei der Linken viel Sympathie. Die FDP Tessin hat ihn als einzigen Kandidaten nominiert, die Tessiner Delegierten müssen der Ernennung allerdings noch zustimmen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 2 von 5. Isabelle Moret: Dass die Waadtländer Nationalrätin und FDP-Vizepräsidentin Ambitionen auf einen Sitz in der Landesregierung hat, ist seit 2009 klar: Sie kandidierte für die Nachfolge von Pascal Couchepin und wurde von der Kantonalpartei auch nominiert. Jetzt überlegt sich die Juristin, einen zweiten Anlauf zu nehmen. Bildquelle: Keystone.
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Bild 3 von 5. Jacqueline de Quattro: Die Waadtländer Sicherheits- und Umweltdirektorin gilt als Frau der Tat. Kaum gewählt, reformierte sie das Polizeiwesen, ging mit harter Hand gegen die Drogenkriminalität in Lausanne vor und kritisierte nach den Morden an Adeline und Marie die Justiz. Jetzt überlegt sie sich den Schritt aufs nationale Politparkett. Bildquelle: Keystone.
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Bild 4 von 5. Genfer Nationalrat und FDP-Vizepräsident Pierre Lüscher will für eine Kandidatur alle Türen offen lassen, wie er sagt. 2009 hatte der Jurist um die Nachfolge von Bundesrat Pascal Couchepin gekämpft – bekanntlich vergeblich. Er tritt vor allem für eine freiheitliche Wirtschaft ein. Bildquelle: Keystone.
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Bild 5 von 5. Pierre Maudet: Der Genfer Sicherheits- und Wirtschaftsdirektor ist zwar erst 39, hat sich mit seiner strikten Haltung bei der Kriminalitätsbekämpfung aber bereits in der ganzen Romandie einen Namen gemacht. 2009 nahm er sich aus dem Rennen um die Nachfolge von Couchepin. Ob er es jetzt versucht, dazu hat er sich offiziell noch nicht geäussert. Bildquelle: Keystone.