Wegen eines Patzers des Zürcher Bezirksgerichts kam es am Freitag zum Eklat: Die drei Beschuldigten im G20-Prozess verliessen unter Protest den Saal. Der Grund: Schon vor dem Prozess war ein Urteilsentwurf durchgesickert.
Die drei Angeschuldigten, zwei Männer und eine Frau im Alter von 29 bis 34 Jahren, kritisierten, dass das Urteil schon gefällt worden sei. Der Richter sprach von einem «unglücklichen Versehen.»
Aus Versehen an Anwalt geschickt
Eine Gerichtsschreiberin hatte einen Urteilsentwurf bereits im Herbst verfasst, allerdings noch ohne Urteilsspruch. Der Entwurf enthielt aber Textbausteine, die auch in fertigen Urteilen vorkommen.
Aus Versehen gelangte der Entwurf in die Akten, die das Gericht dem Anwalt eines Beschuldigten zustellte. Solche Entwürfe gehörten zum Alltag am Gericht, sagte der Richter zu Prozessbeginn, er fälle sein Urteil erst, wenn alle Argumente angehört worden seien.
«Dieser Prozess ist eine Farce»
Die Beschuldigten sahen das anders. «Dieser Prozess ist eine Farce, das Urteil steht bereits fest», sagte einer der drei Beschuldigten. Unter Protest verliessen die drei Demonstranten den Saal, gefolgt von mehreren Unterstützern, die als Zuschauer da waren.
Auch die Anwälte verliessen den Raum. Zurück blieben der Richter, zwei Gerichtsschreiberinnen sowie zwei Medienschaffende, so berichtet die Nachrichtenagentur SDA.
Den Beschuldigten wird Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte sowie Landfriedensbruch vorgeworfen. Unter anderem sollen sie Steine, Flaschen und Pyros gegen Polizisten geworfen haben. Der Staatsanwalt fordert (teilweise unbedingte) Geldstrafen von bis zu 14'000 Franken.
Die Umstände – deshalb wurde der Prozess in der Schweiz geführt: Im Juli 2017 hatten die Angeschuldigten in Hamburg bei den gewalttätigen Demonstrationen gegen den G20 Gipfel mitgemacht. Die deutsche Polizei fahndete zwar erfolgreich nach ihnen, zu einem Prozess vor einem deutschen Gericht kam es jedoch nicht. Denn die Schweiz liefert keine Staatsbürger in andere Länder aus. Die Hamburger Behörden traten das Verfahren in der Folge an die Zürcher Justiz ab. In einem anderen Fall im Kanton Aargau trafen die deutschen Ermittler auf weniger Kooperation: Die Aargauer Staatsanwaltschaft liess einen 27-jährigen Schweizer laufen, nachdem er die Aussage verweigert hatte. Anklage wurde bis jetzt nicht erhoben.
Die Vorgeschichte – Der G20-Gipfel im Juli 2017: Die Bilder vom G20-Gipfel im Juli 2017 gingen um die Welt. Hatten Tausende Demonstrantinnen und Demonstranten zunächst friedlich protestiert und mehr Engagement für den Klimaschutz oder eine gerechtere Globalisierung gefordert, lief wenig später alles aus dem Ruder. Vermummte Chaoten mischten sich unter die friedlich Protestierenden, griffen Polizisten an, plünderten Geschäfte und errichteten brennende Barrikaden.